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Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Autoren: PeP eBooks
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freuen, denn sie wehrte sich nicht mehr, sondern schmiegte sich vertrauensvoll an ihren Begleiter. Etwas Rotes leuchtete in dem goldenen Haar auf. Sie standen nun ganz dicht beieinander, es sah aus, als müsste gleich ein Kuss kommen.
    Cora sah auf die Uhr. Die beiden würden ihn unbeobachtet und ungestört genießen können, denn sie war sowieso schon zu spät dran. Ächzend rappelte sie sich auf und drehte dem Liebespaar den Rücken zu.
    In diesem Augenblick fiel ein Schirm zu Boden. Zwei große Hände packten Jeansmädchens Kopf. Sekunden später – Cora war erst ein paar Schritte gegangen – krallten sich die Hände in die leuchtenden Locken, und eine gewaltsame, unnatürliche Drehung befreite das Jeansmädchen aus jenem Zwangskorsett der Minuten und Sekunden, das wir Menschen als Zeit verstehen.

1
    20. Dezember
    D ass sie auf Maschinen fixiert war, hatte viel, ja eigentlich alles mit dem weltumspannenden Netz der Telefongesellschaften zu tun.
    Als Kind besaß sie nur die Zahlen, die man ihr mit Tinte auf die Handfläche geschrieben hatte, damit sie nicht verlorengehen konnte. Zahlen, von denen alle bis auf die letzten vier unter nassem Blut verschwunden waren.
    Im Lauf der Zeit hatte sie gelernt, sich Kleingeld von Prostituierten zu erbetteln – nur bei denen war Verlass darauf, dass sie das Kind nicht den Sozialarbeitern übergeben würden –, das steckte sie dann in einen öffentlichen Münzapparat, wählte aufs Geratewohl drei Zahlen und dann die vier, die sie kannte. Wenn sich eine Frau meldete, sagte sie: »Hier ist Kathy. Ich hab mich verirrt.«
    Mit sieben konnte sie perfekt die Wähltöne pfeifen, die ihr den Zugang zu Fernverbindungen verschafften, und kannte alle internationalen Vorwahlnummern auswendig. Mit einem weiteren Pfeifton brachte sie den Apparat dazu, Wechselgeld auszuspucken. Genaugenommen verdankte sie also dem Telefon ihr Überleben. Es war wie eine Manie. In tausend Anrufen waren diese simple Botschaft und die letzten vier Ziffern einer Telefonnummer sich gleich geblieben.
    Noch viele Jahre später hatten Frauen auf der ganzen Welt, in sämtlichen Zeitzonen jene geisterhafte Stimme eines Kindes im Ohr, das sich im Cyberspace der Telefongesellschaften verirrt hatte.
    Detective Sergeant Riker vom Dezernat Sonderkriminalität wusste nichts über Mallorys Herkunft. Keiner wusste etwas darüber. Sie war mit zehn oder elf – bei Straßenkindern war die Altersbestimmung immer problematisch – als fertiger kleiner Mensch in das Leben von Inspektor Markowitz getreten. Und ihre Geschichte gehörte ihr allein. Helen, die Frau des Inspektors, hatte das Kind gewaschen und unter der Schmutzschicht Erstaunliches zu Tage gefördert: langes, goldenes Haar, glitzernde grüne Augen, ein bewegend schönes, zartes Gesicht, volle rote Lippen. Dass Kathy außerdem noch ein hohes Maß an Intelligenz besaß, war fast zu viel des Guten.
    Vierzehn Jahre später lag sie laut Bericht von Detective Palanski tot auf einem Obduktionstisch, von Sergeant Riker nur durch eine Tür getrennt.
    Entschlossen stieß er die Pendeltür auf. Die kalte Luft traf ihn wie ein Schlag. Grelles Licht fiel auf den Stahltisch und die Wagen mit den Instrumenten, unter denen sich auch Bohrer und Sägen befanden, die man eher in einer Schreinerwerkstatt vermutet hätte. Er sah auf die nur notdürftig mit einem Tuch bedeckte Tote hinunter.
    Am Tisch stand ein junger Arzt mit OP-Maske, grüner Schürze und Gummihandschuhen. Der Pathologe nickte Riker zu – sie kannten sich von früheren Leichen her –, dann sprach er weiter in das Mikrophon, das über der Toten hing:
    »… gut entwickelte weibliche Person, etwa fünfundzwanzig Jahre alt …«
    Als Riker sich über die Leiche beugte, ließ das harte Licht der Deckenlampen sein Haar metallisch aufleuchten und vertiefte die Falten in seinem Gesicht, das ebenso verknautscht wirkte wie sein Anzug.
    »… Wunde und Prellungen am Unterarm …«
    Eine Defensivwunde? Demnach hatte es einen Kampf gegeben. Blonde Locken umrahmten ein Gesicht wie aus Porzellan. Er ließ den Blick von dem geronnenen Blut der Kopfwunde, in der sich schon Maden und Käfer gütlich getan hatten, weiter nach unten gleiten.
    Es war das falsche Gesicht.
    »… Wunde an der Schläfe …«
    Er zog ein Lid hoch. Das Auge, trüb und seltsam flach, war nicht grün. Und die Haarwurzeln waren nicht blond. Also nicht Kathy.
    »… Größe ein Meter fünfundsechzig …«
    Die junge Frau war zehn Zentimeter kleiner als Kathy,
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