Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe
Autoren: Steve Hamilton
Vom Netzwerk:
Hinterhof. Ich musste ständig herumstreunen und nach Abfällen in den Mülltonnen stöbern.
    Bis er mich zu sich rief. Wenn mein Herr den Kopf zur Tür raussteckte und mich rief, musste ich schleunigst gehorchen, so viel stand fest.
    »Okay, ich kenne da jemanden«, sagte Manhattan schließlich. »Ich meine, wenn du wirklich in der Klemme steckst.«
    Er holte sein eigenes, reales Portemonnaie heraus und zog eine Visitenkarte und einen Stift hervor. Er drehte die Karte um und schrieb etwas darauf.
    »Du rufst diesen Typ an, dann wird er …«
    Er hörte auf zu schreiben und sah mich an.
    »Ach so. Das könnte schwierig werden. Schätze, du solltest lieber persönlich bei ihm vorbeischauen, was?«
    Ich nahm das Geld heraus, das er mir gerade gegeben hatte, und begann, ein paar Scheine abzuzählen.
    »Halt, halt. Warte mal.«
    Er drehte sich zu Brooklyn um, und sie verständigten sich mit Achselzucken.
    »Normalerweise müsstest du mir versprechen, meinem Boss nichts davon zu sagen«, sagte Manhattan. »Aber irgendwie glaube ich, dass das kein Thema ist.«
    Ich stieg hinten in ihren Lieferwagen ein. So kam ich nach New York.

[home]
    Kapitel drei
    Michigan
1991
    G ehen wir ein Stück zurück. Nicht ganz bis zum Anfang, nur bis zu der Zeit, als ich neun Jahre alt war. Kurz nachdem es passiert war. Mittlerweile hatte man mich für körperlich wiederhergestellt erklärt, abgesehen von dieser einen kleinen Eigentümlichkeit, aus der niemand schlau wurde. Die Sache mit dem Nichtsprechen. Nach einigem Herumgeschobenwerden zwischen verschiedenen Betten erlaubte man mir schließlich, bei meinem Onkel Lito zu wohnen. Dem Mann mit dem machohaften Namen eines Italo-Lovers, der alles andere war als das. Er hatte zwar schwarze Haare, aber die sahen immer so aus, als wäre ein Schnitt seit mindestens einem Monat überfällig. Dazu trug er lange Koteletten, schon ergraut, und nach der Zeit zu urteilen, die er sich mit ihnen vorm Spiegel beschäftigte, hielt er sie wohl für sein größtes Plus. Wenn ich jetzt daran zurückdenke: diese Koteletten, die Klamotten, die er trug … Mann, die ganze Zusammenstellung wäre einfach nicht möglich gewesen, wenn er je geheiratet hätte. Jede Frau auf dieser Welt hätte ihn erst mal auseinandergenommen und dann neu wieder zusammengesetzt.
    Onkel Lito war der ältere Bruder meines Vaters. Er sah ihm überhaupt nicht ähnlich, nicht mal im Entferntesten. Ich habe ihn nie gefragt, ob einer von ihnen adoptiert war oder gar alle beide. Die Frage wäre ihm wohl unangenehm gewesen, vor allem, als es nur noch ihn gab. Er wohnte in einem kleinen Ort namens Milford, oben in Oakland County, nordwestlich von Detroit. Eigentlich hatte ich nie viel mit ihm zu tun gehabt, als ich klein war, und selbst wenn wir uns sahen, hat er in meiner Erinnerung kein großes Interesse an mir gezeigt. Doch nachdem das alles passiert war, na ja, das hatte ihn offensichtlich verändert, obwohl er nicht direkt daran beteiligt gewesen war. Es war sein Bruder, Herrgott noch mal. Sein Bruder und seine Schwägerin. Und hier war ich, sein Neffe – acht Jahre alt und amtlich obdachlos. Der Staat Michigan hätte mich sonst einkassiert und Gott weiß wohin zu Gott weiß wem gesteckt. Kaum vorstellbar, was dann aus mir geworden wäre. Vielleicht wäre ich jetzt ein Musterbürger. Vielleicht wäre ich auch tot. Wer weiß? Jedenfalls kam es so, dass Onkel Lito mich in sein Haus in Milford aufnahm, das rund achtzig Kilometer von dem kleinen Backsteinhaus in der Victoria Street entfernt lag. Achtzig Kilometer weg von dem Ort, an dem mein junges Leben hätte enden sollen. Nach ein paar Monaten Probezeit ließ man ihn die entsprechenden Papiere unterschreiben, und er wurde mein gesetzlicher Vormund.
    Mir ist klar, dass er das nicht hätte tun müssen. Er brauchte überhaupt nichts für mich zu tun. Falls Sie je ein Wort der Klage über den Mann von mir hören, verlieren Sie diese Tatsache nicht aus den Augen, okay? Hier kommt allerdings schon der erste Haken. Wenn man ein neues Leben beginnen will, muss man mehr als achtzig Kilometer weit wegziehen. Achtzig Kilometer sind nicht genug, um sein altes Leben hinter sich zu lassen oder zu vermeiden, dass alle, die man trifft, einen noch als den kennen, der man war.
    Es ist nicht annähernd weit genug weg, wenn man wegen etwas berühmt geworden ist, das man für alle Zeit vergessen will.
    Und dann Milford selbst … okay, ich weiß, heute ist es ein yuppiemäßiger schmucker Vorort, aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher