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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci
Autoren: John Vermeulen
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Palast anfertigte sowie für ein ganzes Kanalnetz, das ihn eigentlich weit mehr interessierte. Seine Lethargie schien wie weggeblasen, wenn er sich mit Lineal und Zirkel in seine technischen Entwürfe vertiefen konnte.
    Der Ort, den sich der König in Romorantin ausgesucht hatte, eignete sich in der Tat wunderbar für die Palastanlage, die ihm vorschwebte. Leonardo, der Franz’ Naturell inzwischen sehr gut kannte, hatte große Freude daran, ihm seine Ideen zu unterbreiten und mit Wort und Bild zu illustrieren, was in seinem Geiste Form anzunehmen begann.
    Nach Amboise zurückgekehrt, machte er sich sogleich an die weitere Ausarbeitung der gemeinsam entwickelten Pläne. Der Palast sollte nicht nur Franz in jeder Hinsicht zufriedenstellen, sondern Modellcharakter für künftige Schlossanlagen an der Loire haben.
    Doch das Projekt geriet ins Stocken, denn die Aufmerksamkeit des Königs wurde von zu vielem anderen in Anspruch genommen. Im Februar wurde sein erster Sohn geboren, dessen Taufe man zusammen mit der bedeutsamen Hochzeit der Nichte des Königs, Madeleine, mit Lorenzo di Piero de’ Medici im Mai ganz groß feiern wollte.
    Da er Leonardos fabelhaften mechanischen Löwen noch bestens in Erinnerung hatte, beauftragte der König seinen Meister da Vinci mit der Ausgestaltung des Festes.
    Leonardo gefiel’s, zumal viele Gäste aus Florenz erwartet wurden, unter denen mit Sicherheit ein paar alte Bekannte sein würden. Wie in seinen besseren Tagen legte er sich ins Zeug, um ein Schauspiel auf die Beine zu stellen, das die Glücklichen, die ihm beiwohnen durften, nicht so bald vergessen würden. Er ließ unter anderem einen großen Triumphbogen errichten, den er mit Symbolfiguren und Motti zu Ehren des Königs und des Dauphins schmücken ließ. Und zur Belustigung der Gäste sollte ein Feuerwerk mit allerlei Spezialeffekten gegeben werden.
    Ausgerechnet an dem Tag, da das große Fest stattfinden sollte, fühlte Leonardo sich zum ersten Mal seit Anfang des Jahres wieder weniger gut.
    Vielleicht schlägt jetzt die Erschöpfung zu, dachte er, als er sich nur mit Mühe aus dem Bett erheben konnte, weil ihm sämtliche Knochen weh taten. Sein rechter Arm, der seit jener Attacke in Mailand kraftlos geblieben war, schien nun gänzlich gelähmt zu sein. Die Versuchung, sich einfach aufs Lager zurücksinken zu lassen und vorläufig nicht mehr aufzustehen, war groß. Jedem anderen hätte er in dieser Verfassung einen Korb gegeben, doch Franz konnte und wollte er nicht im Stich lassen. Der König zählte zu sehr auf seine Gegenwart unter all den hochrangigen Gästen, die seit Tagen im Schloss eintrafen und, so der König, darauf hofften, neben dem Spektakel auch den großen florentinischen Meister zu Gesicht zu bekommen.
    Die Festlichkeiten begannen schon am Nachmittag, aber Leonardo wartete bis Sonnenuntergang, bevor er sich ankleidete und sich durch den unterirdischen Gang ins Schloss begab. Mathurina hatte ihn zuvor noch in ein heißes Bad mit einem starken Extrakt aus Ackerschachtelhalm gesteckt und ihn so lange mit Olivenöl massiert, bis die Verspannungen aus seinen Gliedern gewichen waren. Nun fühlte er sich sogar derart gestärkt, dass er seinen Gehstock in der kleinen Kammer am Ende des Gangs zurückließ, bevor er durch die Küche den Festsaal des Schlosses betrat.
    Es herrschte ein unsägliches Gedränge von prächtig gekleideten Herrschaften. Die Wärme und die Gerüche, die von ihnen ausgingen, schlugen Leonardo gleichsam wie eine körperlich spürbare Druckwelle entgegen. Und als das Stimmengewirr der Unterhaltungen hörbar abnahm, weil etliche Geladene neugierig in seine Richtung blickten, wäre er am liebsten in die Stille und Geborgenheit von Cloux zurückgeflüchtet. Doch da hatte der König ihn bereits bemerkt und kam zu ihm herüber.
    »Ich wollte schon nach Ihnen schicken lassen, ob auch alles in Ordnung ist«, sagte er, als er bei Leonardo angelangt war. »Sie haben ja das ganze Spektakel draußen versäumt!«
    »Ach, ich kenne das selbst zur Genüge. Aber ich hoffe, es war alles zu Eurer Zufriedenheit?«
    »Es war wunderbar, Meister da Vinci. Ganz und gar wunderbar. Und das Feuerwerk einfach unvergleichlich!«
    »Erlaubt Ihr, dass ich dem jungvermählten Paar meine Glückwünsche darbringe?«
    »Aber natürlich, ich mache Sie gleich miteinander bekannt. Lorenzo hat schon ein paarmal nach Ihnen gefragt.«
    Als der König ihn schon beim Arm nahm, um ihn zum Brautpaar zu führen, wurde Leonardos Blick zu
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