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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch
Autoren: Christopher Moore
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fünften zum neunten Bund und ließ es dort oben jammern.
    Es war Mavis, als ob ihr der Geruch von Mehltau oder Moos in die Nase stieg. Die Luft schien plötzlich feuchter zu sein. Sie schnüffelte und schaute sich um. Es war das erste Mal seit fünfzehn Jahren, daß sie überhaupt einen Geruch wahrnahm.
    Catfish grinste. »Das Delta«, sagte er.
    Er verfiel in einen zwölftaktigen Blues, wobei er mit dem Daumen das Baßfundament legte, während er mit dem Slide die hohen Noten anschlug. Er wiegte sich auf seinem Hocker hin und her, und die Neonschrift der Coors-Leuchtreklame hinter der Bar spiegelte sich in seiner Sonnenbrille und auf seinem kahlen Schädel.
    Die Tagschicht der Stammgäste schaute von ihren Drinks auf und ließ zumindest einen Moment lang ihre Lügengeschichten bleiben. Am Billardtisch vermasselte Slick McCall einen geraden Stoß auf die Acht, was ihm sonst so gut wie nie passierte.
    Und dann fing Catfish an zu singen. Zunächst mit einer hohen, Gänsehaut einflößenden Stimme, die sich nach und nach in tiefere, beinahe knurrende Lagen herunterarbeitete.
    They's a mean ol' woman, run a bar out on the Coast. I'm tellingyou, they's a mean ol' woman run a bar out on the Coast
    But when she get's you under the covers,
    That ol' woman turn your buttered bread to toast.
    Und dann verstummte er.
    »Sie sind angeheuert«, sagte Mavis. Sie nahm die Karaffe mit dem weißen Chateau-Fusel aus dem Kühlfach und kippte eine Ladung in Catfishs Glas. »Der geht aufs Haus.«
    Just in diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und das Sonnenlicht brach durch das qualmerfüllte Halbdunkel und den Rest von Blues, der noch in der Luft lag, als Vance McNally, der Rettungssanitäter, hereinkam und sein Funkgerät auf die Bar legte.
    »Wißt ihr schon das Neueste?« sagte er zu niemand Bestimmten. »Die Pilgerfrau hat sich aufgehängt.«
    Ein leises Raunen ging durch die Runde der Stammgäste. Catfish legte seine Gitarre in den Koffer und ergriff sein Glas Wein. »Sieht ganz so aus, als würd's ein trauriger Tag werden. Und das schon so früh am Morgen. Meine Herren.«
    »Sieht ganz so aus«, erwiderte Mavis, und ihre Stimme überschlug sich wie bei einer Lachhyäne aus Edelstahl.
     
     
    VALERIE RIORDAN
    Die Mortalitätsrate infolge von Depressionen liegt bei fünfzehn Prozent. Fünfzehn Prozent aller Patienten mit schweren Depressionen nehmen sich das Leben. Soweit die Statistik. Kalte Zahlen in einer schwer greifbaren Wissenschaft. Fünfzehn Prozent. Tot.
    Seit dem Anruf von Theophilus Crowe hatte sich Val Riordan diese Zahlen ständig wiederholt, doch es half nichts. Sie fühlte sich kein bißchen besser - angesichts dessen, was Bess Leander sich angetan hatte. Val hatte noch nie einen Patienten verloren. Und Bess Leander hatte eigentlich gar nicht unter Depressionen gelitten, oder? Jedenfalls gehörte sie nicht zu den besagten fünfzehn Prozent.
    Val ging in ihre Praxis im hinteren Teil ihres Hauses und suchte Bess Leanders Krankenakte heraus. Dann ging sie wieder zurück ins Wohnzimmer und wartete auf Constable Crowe. Wenigstens war es jemand aus dem Ort und nicht jemand vom Büro des Bezirkssheriffs. Außerdem konnte sie sich immer auf ihre ärztliche Schweigepflicht berufen. In Wahrheit hatte sie nicht den blassesten Schimmer, warum Bess Leander sich aufgehängt haben sollte. Sie war Bess nur einmal begegnet, und diese Begegnung hatte lediglich eine halbe Stunde gedauert. Val hatte ihre Diagnose gestellt, ein Rezept ausgeschrieben und einen Scheck für eine einstündige Behandlung kassiert. Bess hatte zweimal angerufen, ein paar Minuten geredet, und Val
    hatte jeweils eine Viertelstunde in Rechnung gestellt.
    Zeit war Geld, und Val Riordan hatte eine Vorliebe für hübsche kleine Sachen.
    Das Westminster-Geläut der Türglocke ertönte. Val durchschritt das Wohnzimmer und gelangte in das in Marmor gehaltene Foyer. Hinter der Türverglasung zeichnete sich eine hochgewachsene, schlanke Gestalt ab: Theophilus Crowe. Val war ihm noch nie begegnet, dennoch war er kein Unbekannter für sie, denn drei seiner Ex-Freundinnen waren bei ihr in Behandlung. Sie öffnete die Tür.
    Er trug Jeans, Turnschuhe und ein graues Hemd mit schwarzen Epauletten, das irgendwann einmal Teil einer Uniform gewesen sein mochte. Er war glatt rasiert und trug sein langes sandfarbenes Haar zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein gutaussehender Bursche im Stil von Ichabod Crane. Val vermutete, daß er bekifft war. Seine
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