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Der Lustmolch

Der Lustmolch

Titel: Der Lustmolch
Autoren: Christopher Moore
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Freundinnen hatten sich ausgiebig über seine Angewohnheiten ausgelassen.
    »Dr. Riordan«, sagte er, »Theo Crowe.« Er streckte die Hand aus.
    »Angenehm, aber nennen Sie mich doch einfach Val«, sagte sie und gab ihm die Hand. »Das machen sowieso alle.« Sie deutete in Richtung Wohnzimmer.
    »Gleichfalls angenehm«, sagte Theo mit leichter Verzögerung. »Es tut mir leid, daß wir uns unter solchen Umständen kennenlernen.« Er blieb am Ende des Marmorfußbodens stehen, als wage er es nicht, seinen Fuß auf den weißen Teppich zu setzen.
    Sie ging an ihm vorbei und ließ sich auf der Couch nieder.
    »Bitte«, sagte sie und deutete auf einen der Hepplewithe-Sessel. »Setzen Sie sich doch.«
    Er setzte sich. »Ich weiß selbst nicht recht, warum ich hier bin. Vielleicht, weil Joseph Leander keine Ahnung hatte, warum Bess es getan hat.«
    »Sie hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen?« fragte Val.
    »Nein. Nichts. Joseph ist heute morgen die Treppe runtergekommen, um zu frühstücken, und da hing sie an der Wand im Eßzimmer.«
    Val spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie hatte es bislang vermieden, sich eine bildhafte Vorstellung von der toten Bess Leander zu machen. Bisher waren es nur Worte übers Telefon gewesen. Sie wandte den Blick von Theo ab und schaute sich im Zimmer um - auf der Suche nach irgend etwas, das dieses Bild in ihrem Kopf wieder ausradierte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Theo. »Das ist bestimmt sehr hart für Sie. Ich habe mich nur gefragt, ob Bess vielleicht im Lauf der Therapie irgendeine Bemerkung gemacht hat, die vielleicht einen Hinweis geben könnte.«
    Fünfzehn Prozent, dachte Val. Doch sie sagte: »Die meisten Selbstmörder hinterlassen keinen Abschiedsbrief. Wenn sie erst einmal so tief in der Depression versunken sind, interessiert es sie gar nicht mehr, was nach ihrem Tod passiert. Sie wollen einfach nur, daß ihr Leiden ein Ende hat.«
    Theo nickte. »Dann war Bess also depressiv? Joseph sagte, daß es den Eindruck machte, als ginge es ihr allmählich besser.«
    Val durchforstete die Erinnerungen an ihre Ausbildung nach einer Antwort. Genaugenommen hatte sie bei Bess Leander gar keine Diagnose gestellt, sie hatte ihr lediglich etwas verschrieben, von dem sie glaubte, daß es ihre Gefühlslage aufhellen würde. Sie sagte: »Eine psychiatrische Diagnose ist nicht immer hundertprozentig eindeutig, Theo. Bess Leander war ein komplexer Fall. Ohne die ärztliche Schweigepflicht zu verletzen, kann ich Ihnen jedoch sagen, daß Bess unter OZH, obsessiven Zwangshandlungen, litt, wenn auch nur als Borderline- Syndrom. Deswegen war sie bei mir in Behandlung.«
    Theo zog das Arzneifläschchen aus seiner Hemdtasche und betrachtete das Etikett. »Zoloft - das ist doch ein Antidepressivum? Ich weiß das nur, weil ich mal eine Freundin hatte, die das auch genommen hat.«
    Richtig, dachte Val, genaugenommen hattest du mindestens drei Freundinnen, die es nehmen. Sie sagte: »Zoloft ist ein SSRI wie Prozac. Es wird bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern angewandt. Bei OZH wird es höher dosiert.« Die klinische Schiene, haargenau richtig: Mach ihn platt mit klinischem Kauderwelsch.
    Theo schüttelte das Fläschchen. »Kann man davon eine Überdosis nehmen? Ich hab mal gehört, daß manche Leute auf solche Drogen ziemlich verrückte Sachen anstellen.«
    »Das ist nicht unbedingt richtig. SSRIs wie Zoloft werden häufig bei Patienten mit schweren Depressionen verschrieben. Fünfzehn Prozent aller Patienten mit Depressionen begehen Selbstmord.« Da, jetzt hatte sie es ausgesprochen. »Antidepressiva sind - einhergehend mit der Gesprächstherapie - ein Werkzeug, das Psychiater einsetzen, um dem Patienten zu helfen. Manchmal funktionieren solche Werkzeuge nicht. Wie bei jeder Therapie ist es auch hier so, daß bei einem Drittel der Patienten eine Besserung eintritt, bei einem weiteren Drittel der
    Zustand unverändert bleibt, während er sich beim letzten Drittel verschlimmert. Antidepressiva sind kein Allheilmittel.« Aber du gehst damit um, als wären sie's, oder etwa nicht, Val?
    »Aber Sie sagten, daß Bess Leander unter OZH litt und nicht an Depressionen.«
    »Constable, hatten Sie jemals Magenschmerzen und Schnupfen zur gleichen Zeit?«
    »Also sagen Sie, sie litt unter Depressionen?«
    »Ja, sie litt unter Depressionen und OZH gleichzeitig.«
    »Und an den Pillen kann es nicht gelegen haben?«
    »Um ganz ehrlich zu sein, ich weiß noch nicht mal, ob sie die Pillen überhaupt genommen hat.
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