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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner
Autoren: Stephen Fry
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dazu bringen, selbst wenn Du noch größere Überzeugungskünste hättest als sowiesoschon. Weil es nichts zu verstehen gibt. Und das mußt
Du
verstehen. Du bist groß geworden, zu dieser und jener Schule gegangen, hast diese und jene Freunde kennengelernt. Das war nichts. Die Zukunft ist eine größere Angelegenheit als die Vergangenheit, Adrian, eine viel größere Angelegenheit. Nicht bloß, weil es in ihr Babys gibt, sondern weil es in ihr bessere Menschen gibt, die sich besser benehmen und mit denen zusammen zu sein mehr Spaß macht; die Kulissen sind besser, das Wetter ist besser, die Belohnung und die Spannung sind besser. Aber ich bin mir wirklich nicht sicher, ob Du jemals …«
    Ein Tumult vor dem Mitre, dem Pub neben dem Shoulder of Lamb, ließ Adrian über die Straße blicken. Beide Etablissements hatten Sperrstunde erreicht. Der Wirt des Mitre eskortierte eine ungestüme Gruppe von Trinkern auf die Straße. Nebenan im Shoulder schloß Nigel zur Nacht ab. Weiter oben zog etwas Adrians Aufmerksamkeit auf sich. Ein Fenster des Oberstübchens, das private Eßzimmer, das er eben verlassen hatte, lag direkt über dem Straßeneingang des Pubs. Adrian konnte die Silhouette eines Mannes deutlich erkennen, der mit dem Rücken zum Fenster stand. Vielleicht Trefusis, der einen Toast ausbrachte. Er sah genauer hin. Nein, eindeutig nicht Trefusis. Adrian wartete, bis sich der Haufen Betrunkener vor dem Mitre zerstreut hatte. Alkoholisiert herumjohlend, standen sie scheinbar eine Ewigkeit vor dem Pub, bis sie sich endlich grölend und taumelnd einen Weg Richtung Magdalene Bridge und außer Sichtweite suchten. Die Straße war leer. Adrian ging hinüber und schob sich in die Gasse zwischen den beiden Pubs. Das Erdgeschoß des Shoulder of Lamb war leer. Adrian sah sich nach einem Kasten oder einer Bierkiste um, auf die er sich stellen konnte. Im Winkel derGasse stand eine Plastikmülltonne, auf der in weißer Farbe »Nur Mitre!« stand, wobei das Ausrufezeichen eine ganze Geschichte bitterer Pub-Rivalitäten verriet, die Adrian gleichzeitig komisch und bemitleidenswert fand. Er rückte die Tonne unter das Erdgeschoßfenster des Shoulder und versuchte sich hochzuziehen, indem er das linke Bein auf den Deckel stellte, aber die Tonne gab nach, und er stand knietief im Abfall. Der Schmerz durchzuckte seinen Bauch, und er würgte beim Gestank des Mülls, der ihm in die Nase stieg. Für Adrian war es ein bleibendes Mysterium, daß aller von Menschen produzierte Unrat gleich roch, wenn er erst einmal eine gewisse Zeit in der Mülltonne gelegen hatte. Entschlossen versuchte er, nicht zu atmen, drehte die Tonne um und probierte, ob der Boden sein Gewicht eher aushalten würde. Er war stabil, und Adrian bekam den Fuß aufs Fensterbrett und richtete sich auf. Sein Kopf befand sich jetzt nur noch einen guten halben Meter unter dem Fenster des ersten Stocks. Er hörte Humphrey Biffens Stimme.
    »Ich weiß noch immer nicht genau, wie diese Runde zählt«, sagte er.
    »Wie bitte?« sagte ein Szabó.
    »Nun, es ist wieder Donalds Sieg. Daran besteht kein Zweifel«, sagte Nancy. »Selbst wenn wir die Spottdrossel völlig aus dem Spiel lassen. Er war schließlich ein gemeinsames Hilfsmittel. Ohne ihn waren wir zum selben Ergebnis gekommen. Er fügte bloß Eifer hinzu. Das müssen Sie doch zugeben, Sie haben vergessen, Waltons Gesetze zu berücksichtigen, und Sie haben wirklich geglaubt, Sie hätten die eine Hälfte von Mendax: Sie haben es verbockt, nicht wahr, David?«
    »Soll euch doch der Teufel holen«, grummelte Onkel DavidsStimme. »Mitten im Spiel hat Donald die Spielregel geändert! Hat es in eine unausgegorene Fiktion verwandelt, bloß damit er diesen Nichtsnutz von meinem Neffen übers Knie legen und ihm eine kräftige Tracht Prügel verpassen konnte. Die hatte er mehr als verdient, das gebe ich zu.«
    »Nun, das hätte Ihnen eine Chance gegeben«, sagte Nancy. »Sie waren an allen Enden geschlagen, und das wissen Sie auch.«
    »Ha! Warten Sie nur. Passen Sie lieber auf. Wenn Sie nicht alle ausgesprochen lieb zu mir sind, spielt die nächste Runde im Libanon, und dann sehen Sie alt aus.«
    »Was werden Sie Ihrer Abteilung erzählen?« fragte Humphrey.
    »Da gibt es nichts zu erzählen. Habe eine winzige Summe für Stefans Überwachung verschwendet. Ein paar Flüge nach Salzburg. Habe unseren Mann Schlosser in Budapest aktiviert. Einen faulen Arsch, dem man mal kräftig auf die Hühneraugen treten mußte. Nichts passiert. Die
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