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Der Rosenmord

Der Rosenmord

Titel: Der Rosenmord
Autoren: Ellis Peters
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1. Kapitel
    Da sich die Kälte bis weit in den April hinein hielt und selbst Anfang Mai kaum nachlassen wollte, begann der Frühling des Jahres 1142 nur zögernd und widerstrebend zu erwachen. Die Vögel drückten sich dicht unter die Dächer und suchten sich warme Nistplätze. Die Bienen blieben im Stock, plünderten ihre Vorräte und mußten zugefüttert werden. Es gab keine frühen Blüten, an denen sie sich gütlich tun konnten. In den Gärten die Saat auszubringen, war zwecklos. Sie wäre in der viel zu kalten, lebensfeindlichen Erde doch nur verfault.
    Erstarrt in dieser Kälte schienen auch die Menschen im Winterschlaf zu liegen, und die Parteien hielten den Atem an.
    Frohen Mutes war König Stephen nach der Befreiung aus dem Gefängnis zu Ostern nach Norden gezogen, um sich seiner alten Gebiete neu zu versichern. Doch kaum in den Süden zurückgekehrt, war er so schwer erkrankt, daß sich Gerüchte über seinen Tod rasch in ganz England ausbreiteten. Seine Cousine und Rivalin, die Kaiserin Maud, hatte ihr Hauptquartier unterdessen vorsichtshalber nach Oxford verlegt und wartete in aller Ruhe ab, ob die Gerüchte sich bewahrheiteten und der König sterben würde. Doch Stephen erholte sich wieder. Er hatte mit der Kaiserin noch eine offene Rechnung zu begleichen und war stark genug, um des heftigen Fiebers Herr zu werden. Ende Mai näherte er sich mit großen Schritten dem Wege der Besserung.
    In den ersten Junitagen war dann endlich die ungewöhnlich lange Frostperiode zu Ende. Der schneidend kalte Wind verwandelte sich in ein laues Lüftchen, die Sonne berührte die Erde wie eine warme, liebkosende Hand. Die Samen regten sich im Boden und entwickelten grüne Triebe, und ein Meer von Blumen, um so lebhafter nach der langen Zurückhaltung, floß golden, purpurn und weiß über Gärten und Wiesen. In freudiger Eile begannen die Menschen mit der verspäteten Aussaat.
    Gleich einem Riesen von einem Zauberbann befreit, trat König Stephen nach seiner Genesung tatkräftig auf den Plan, griff den Hafen von Wareham an, den östlichsten, über den seine Feindin verfügte, und nahm Stadt und Burg ein, ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen.
    »Und nun zieht er wieder nach Norden gen Cirencester«, berichtete der sichtlich begeisterte Hugh Beringar, »um nacheinander die Vorposten der Kaiserin zu erobern. Wenn sich diese Tatkraft doch nur eine Weile halten würde.« Als Feldherr hatte der König nur eine einzige, allerdings verhängnisvolle Schwäche. Er konnte nicht bei der Sache bleiben, wenn er nicht auf der Stelle Erfolg hatte. Nach drei Tagen schon gab er eine Belagerung auf, um woanders eine neue zu beginnen, und die Mühe, die er auf beide verwendet hatte, war vergeudet. »Vielleicht nimmt es doch noch ein rasches Ende!«
    Mit seinen viel kleineren Sorgen beschäftigt, musterte Bruder Cadfael das Gemüsebeet vor der Mauer seines Kräutergartens und steckte prüfend eine Zehe in die nach einem morgendlichen Schauer dunkle, feuchte Krume. »Von Rechts wegen«, grübelte er, »hätten die Mohren schon vor mehr als einem Monat gesetzt werden sollen, and die ersten Radieschen werden faserig und verschrum-3elt sein wie altes Leder. Aber was wir von jetzt an ernten, dürfte etwas saftiger sein.
    Glücklicherweise blieb die Obstblüte aus, bis die Bienen erwacht waren. Trotzdem werden wir heuer eine schlechte Ernte haben. Alles ist vier Wochen hinter der Zeit, aber manchmal gelingt es den Jahreszeiten irgendwie, die verlorene Zeit wettzumachen. Wareham, sagtet Ihr? Was ist mit Wareham?«
    »Nun, Stephan hat es eingenommen, Stadt und Burg und Hafen. Damit hat er Robert von Gloucester, der kaum zehn Tage zuvor die Stadt verließ, die Türe vor der Nase zugeschlagen. Habe ich es Euch etwa noch nicht erzählt? Wir erhielten die Nachricht vor drei Tagen. Anscheinend traf die Kaiserin im April in Devizes mit ihrem Bruder zusammen und kam mit ihm überein, daß es an der Zeit sei, ihren Gatten zu verlassen, ein wenig Mühe auf ihre Angelegenheiten zu verwenden. Er sollte höchstpersönlich herüberkommen, um ihr zu helfen, sich Stephens Krone aufzusetzen. Sie schickten Boten zu Geoffrey in die Normandie. Er ließ jedoch antworten, daß er zwar geneigt sei, der Bitte zu entsprechen, aber leider seien ihm die Gesandten dem Namen und Leumund nach unbekannt, und er sei nicht bereit, mit irgend jemand anders als dem Grafen von Gloucester selbst zu verhandeln. Wenn Robert nicht kommt, ließ Geoffrey der Kaiserin ausrichten, dann
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