Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
der Schulung für Führungskräfte offenbar verpasst.
    »Ja, sicher.«
    So etwas wie Gedankenübertragung musste stattgefunden haben, denn als sie ins wartende Auto stiegen, sagte Backhouse: »Ich habe mit Mr. Dalziel telefoniert.«
    »Ah.«
    »Er war natürlich betroffen, als er hörte, was passiert war.«
    Natürlich. Aber wetten, dass ihm keines der üblichen Worte des Bedauerns über die Lippen gekommen ist. Backhouse machte den Dolmetscher.
    »Er sagt, Sie seien zu wichtig, als dass er über das Wochenende hinaus auf Sie verzichten könne, aber ich wäre Ihnen für jede Unterstützung dankbar, die Sie mir inzwischen geben können.«
    Hier war es wieder:
dankbar
. Er wurde mit Glacéhandschuhen angefasst. Man musste kein Detektiv sein, um zu verstehen, weshalb. Aber sie sollten es aussprechen. Er würde den Teufel tun und das Thema selbst anschneiden.
    Sie
. Überrascht stellte Pascoe fest, dass er in Gedanken die Polizei
sie
nannte.
    »Halten Sie an«, befahl Backhouse seinem Fahrer. Der Wagen hielt vor einem Gebäude mit hohem Dach, Kieselrauputz und schmalen Fenstern, die an eine Kirche erinnerten. Ein gepflegtes Schild verkündete, dass es sich hierbei um den Bürgersaal von Thornton Lacey handelte. Unter der schwarz-goldenen Aufschrift hing eine getippte Liste der Lustbarkeiten, denen man sich im Verlauf der Woche hingeben konnte. Am vorangegangenen Abend hatte zum Beispiel eine Sitzung des Bau- und Umweltausschusses stattgefunden. Und an diesem Abend sollte die Tanzgruppe »Anno Dazumal« das Tanzbein schwingen. Eine kurzweilige Reise in die Vergangenheit im Walzer-, Foxtrott-, Twostep- und Polkatakt. Doch das fröhliche Ringelreihen müsste wohl anderswo abgehalten werden, dachte Pascoe, als er hinter Backhouse das Gebäude betrat.
    In dem großen, muffigen Raum herrschte rege Betriebsamkeit. Polizisten in kurzen Ärmeln stellten Tische zusammen, und zwei Männer von der Post installierten Telefone. Alle Lampen waren an, um das spärliche Licht, das durch die Fenster drang, zu ergänzen.
    »Das Revier ist nicht groß genug«, erläuterte Backhouse. »Insbesondere, wenn sich das hier zu einer größeren Sache entwickelt. Was es hoffentlich nicht tut.«
    Er sah Pascoe von der Seite an und schnell wieder weg. Ein uniformierter Inspector kam ihnen entgegen.
    »Gibt’s was Neues?«, begrüßte ihn Backhouse.
    »Nur ein paar Dinge, Sir.«
    Der Inspector sah Pascoe prüfend an und ging dann mit Backhouse ans andere Ende des Saals. Pascoe war drauf und dran, den beiden zu folgen, zu gerne hätte er gewusst, was los war. Doch er war sich auch seiner zwiespältigen Position bewusst. Schließlich war er nur ein Zeuge und nicht in offizieller Funktion hier.
    »Was zum Teufel ist denn hier los?«
    Der Zwischenruf kam von einem vierschrötigen Mann mit breitem Brustkorb und kräftigem Kinn. Er trug einen Pullover mit Polokragen und Reithosen. Pascoe tat das Pferd leid, das diesen Koloss tragen musste, der bestimmt weit über neunzig Kilo auf die Waage brachte. Der Mann war ein solides Modell in den Vierzigern, aber noch weit davon entfernt, Fett anzusetzen.
    »Also? Los, Mann. Wer hat hier das Sagen?«
    Backhouse wurde auf den Mann aufmerksam und kam herüber.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte er. »Ich bin Detective Superintendent Backhouse. Und Sie …?«
    »Angus Pelman. Was treiben Sie hier eigentlich?«, fragte der Mann, nun schon in etwas gemäßigterem Ton.
    »Wir ermitteln in einem Mordfall, Sir«, antwortete Backhouse. »Es wundert mich, dass Sie noch nichts davon gehört haben.«
    Mich auch, dachte Pascoe. Das Verbrechen war vor über zwei Stunden gemeldet worden. Er zweifelte nicht daran, dass es demnächst – wenn nicht schon jetzt – rund um das Brookside Cottage von Fernsehkameras und Zeitungsreportern nur so wimmeln würde. Doch Angus Pelman hatte es fertig gebracht, nichts davon zu erfahren, bis er den Saal betreten hatte.
    Ebenso brachte er es fertig, völlig entgeistert auszusehen, als er hörte, was passiert war. Als Backhouse ihm auch noch ein paar Einzelheiten mitteilte, ließ er sich schwer auf den nächsten Stuhl fallen.
    »Die Hopkins vom Brookside Cottage?«, wiederholte er ungläubig.
    »Sie kannten sie?«, fragte Backhouse.
    »Sollte man meinen«, erwiderte Pelman. »Ich hab ihnen das blöde Haus ja verkauft.«
    Eine Erinnerung blitzte in Pascoe auf, hell und klar. Das Cottage in Eskdale, vor sechs (oder waren es sieben?) Jahren. Es hatte einem Bauern gehört, der eine halbe Meile weiter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher