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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein
Autoren: Reginald Hill
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unten im Tal wohnte. Kräftig war er gewesen und ein geiler Bock, der vor lauter Selbstgefälligkeit kaum gehen konnte. Außerdem hatte er es sich angewöhnt, immer wieder vorbeizuschauen – von seinem Inspektionsrecht Gebrauch zu machen, wie er es nannte. Dabei galten seine Inspektionen im Wesentlichen den beiden jungen Frauen, insbesondere Rose. Sie hatten auch den Verdacht gehabt, dass er ins Cottage kam, während sie wandern waren. Zum Schluss war da noch was gewesen, irgendein Streich …, doch die Erinnerung verblasste so schnell wie sie gekommen war. Er musste Ellie fragen.
    »Erschossen, sagen sie? Alle beide?«, wollte Pelman wissen.
    »Nicht die beiden Hopkins, Sir. Mrs. Hopkins und ihre zwei Gäste.«
    »Und Colin Hopkins?«
    »Wir hoffen, bald mit ihm sprechen zu können.«
    »Sie meinen, er weiß es noch gar nicht? Aber gestern Abend war er da. Ich hab ihn im Ort gesehen.«
    Ein Verdacht stieg in ihm auf, gefolgt von Empörung.
    »Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass er was damit zu tun hat. Sie sind wohl übergeschnappt. Ich kenne ihn ja noch nicht lang, aber das ist ausgeschlossen.«
    Da war er Pascoe auf einmal viel sympathischer.
    »Wir haben noch keine endgültigen Erkenntnisse gewonnen, Sir«, antwortete Backhouse beschwichtigend. »Übrigens, wenn Sie uns hier nicht vermutet haben, warum sind Sie denn dann hergekommen?«
    Pelman wusste nicht, worauf der Superintendent hinauswollte. »Warum ich …? Ach, hierher, meinen Sie. Ganz einfach. Ich bin der Vorsitzende des Bau- und Umweltausschusses. Wir hatten gestern Abend eine Sitzung, und am Vormittag nach solchen Sitzungen kommt die Schriftführerin mit dem Protokoll her. Da ist es schon getippt. Wir gehen es gemeinsam durch und hängen es dann ans Notizbrett, damit alle wissen, was los war.«
    »Schön«, sagte Backhouse beifällig. »Schön.«
    Während er sprach, sah er zur Tür, und Pascoe, der seinem Blick folgte, war sich nicht sicher, ob er den demokratischen Prozess meinte, oder die Frau, die da stand.
    Schön
war sie, wenn man diesen Typ mochte. Anfang dreißig, gepflegtes braunes Haar, teuer aber dezent gekleidet, gute Figur, gegen all das hatte Pascoe nichts einzuwenden. Was ihn störte, war die Art, wie sie in die Runde blickte: amüsiert und gefasst.
    Gehobene Mittelschicht, sich ihrer Stellung voll bewusst, berstend vor gesundem Menschenverstand und Gemeinsinn, Ausschussmitglied, (zukünftige) Friedensrichterin, Vorzeigegattin des integren konservativen Abgeordneten oder selbst integre konservative Abgeordnete. Arrogantes Weibsstück.
    Pascoe war über sein harsches Urteil selbst überrascht. Und auch über die lächerliche Geschwindigkeit und die Leidenschaftlichkeit, mit der er es gefällt hatte. Eine Quelle der Wut schlummerte in ihm, die nur mit größter Behutsamkeit zum Sprudeln gebracht werden durfte. Er versuchte, den ersten Eindruck abzuschütteln und der Frau eine zweite Chance zu geben, doch sie schien es darauf angelegt zu haben, seine Schlussfolgerungen zu bestätigen.
    »Hallo, Angus«, sagte sie mit klarer, hoher, wohlmodulierter Stimme. »Du bist ja in guter Obhut. Das Protokoll ist doch hoffentlich nicht
so
explosiv.«
    Mit einer Ledermappe in der Hand trat sie näher. Sie war also die Schriftführerin des Bau- und Umweltausschusses. Das passte zu ihr.
    »Hallo, Marianne. Hast du’s nicht gehört?«
    Pelman schilderte ihr kurz, was geschehen war. Während er sprach, beobachtete Pascoe die Frau scharf. Zwei wichtige Mitglieder der Dorfgemeinschaft, und keines von beiden war über den Vorfall informiert. Er musste sein Bild von der Stammesgesellschaft in einem englischen Dorf revidieren.
    »Möchten Sie sich nicht setzen, Mrs. … äh …?«, erkundigte sich Backhouse höflich, als Pelman fertig war.
    »Culpepper«, half Pelman aus.
    »Danke«, sagte sie. In seiner Voreingenommenheit schien Pascoe die Frau nicht besonders erschüttert, aber wahrscheinlich hatte man ihr von frühester Kindheit an eingebläut, stets die Contenance zu wahren. Im Guten wie im Schlechten. Sie legte die Ledermappe auf den nächststehenden Tisch. Sie fiel dabei hinunter und lag nun aufgeschlagen auf dem Boden. Pascoe hob sie auf, behielt sie in der Hand und blickte auf die sorgfältig getippten Seiten. Was auf der obersten stand, erfasste er mit der Geläufigkeit dessen, der tausend Worte pro Minute lesen kann. Bei der Sitzung war es anscheinend recht turbulent zugegangen. Hauptthema war die angebliche Verschmutzung des Baches, der
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