Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Löwe

Der Löwe

Titel: Der Löwe
Autoren: Nelson DeMille
Vom Netzwerk:
hatte Hunger und fragte sie: »Was gibt’s zum Frühstück?«
    »Knastbrei.«
    »Was ist aus den hartgekochten Zwangsarbeitseiern geworden? «
    Sie drückte meine Hand, stand auf und gab mir einen tränennassen Kuss auf die Stirn – genau auf die Stelle, mit der ich dem Arschloch einen Kopfstoß verpasst hatte. Autsch!

    Sie schaute mich an. »Ich möchte dich bei mir zu Hause haben.«
    »Ich mich auch. Wo sind meine Klamotten?«, fragte ich.
    »Vermutlich in der Beweismitteltüte«, erwiderte sie.
    »Wo ist meine Knarre?«
    »Tom sagt, sie haben sie, und meine auch.«
    »Gut.« Ich wollte sie fragen, wo Onkel Ernies Messer war, aber als ich es zum letzten Mal gesehen hatte, hatte es in Asad Khalils Kinn gesteckt – folglich war es inzwischen unten im Leichenschauhaus, wo der Rechtsmediziner daran zerrte und überlegte, ob er es herausziehen sollte, bevor er Khalils Schädel aufsägte oder hinterher.
    Kate und ich plauderten noch ein bisschen und einigten uns darauf, dass ich ein paar Wochen zu Hause bleiben musste, damit ich mich in aller Ruhe erholen konnte. Ich äußerte meine tiefe Enttäuschung darüber, dass wir ihre oder meine Eltern in absehbarer Zeit nicht sehen würden. Ihr war klar, dass ich Mist redete, aber das konnte sie zu einem Mann in meinem heiklen Zustand nicht sagen. Außerdem teilte ich ihr mit: »Der Arzt in der Notaufnahme hat gesagt, ich darf fünf Jahre nicht mehr Fallschirm springen.«
    Das Frühstück kam gegen halb acht, und offenbar war ich auf Flüssigkost gesetzt, die keinerlei Ähnlichkeit mit meiner üblichen Flüssignahrung hatte.
    Kate vertilgte Pfannkuchen und Würstchen. »Möchtest du noch mehr vergitterten Pfefferminztee?«, fragte sie mich.
    Das war nicht so komisch, wie ich es fand, als sie hier gelegen hatte.
    Jedenfalls saß ich im Bett und dachte an Vince Paresi und auch an Boris, den ich irgendwie mochte. Boris und ich waren der Meinung gewesen, dass er mit Asad Khalil fertigwerden würde, aber offensichtlich hatten wir uns diesbezüglich geirrt – und wir hätten beide wissen müssen, dass wir uns irrten. Und
was dieses Thema anging – was zum Teufel hatte ich mir dabei gedacht, als ich glaubte, dass ich mir Asad Khalil ganz allein vornehmen wollte? Nun ja, es hatte geklappt … mit knapper Not.
    »Hast du irgendwas von Boris gehört?«, fragte ich Kate.
    Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Warum fragst du?«
    »Ich glaube, Khalil hat ihn umgebracht.«
    Sie ging nicht darauf ein, dachte aber vermutlich das Gleiche wie ich – ich hätte Tom Walsh von meiner Kontaktaufnahme mit Boris berichten sollen. Dann wäre vermutlich nicht nur Boris noch am Leben, sondern ich hätte mir auch einige Aufregung an der WTC-Baustelle ersparen können – von ein paar Tagen im Krankenhaus ganz zu schweigen. Außerdem wäre Vince Paresi noch am Leben.
    Nun ja, in diesem Gewerbe muss man machen, was man für richtig hält, und mit den Folgen leben – oder sterben. Ich wollte mir deswegen nicht mehr Vorwürfe machen als wegen Gabe Haytham und seiner Familie, die ich vielleicht hätte retten können, wenn ich rechtzeitig an ihn gedacht hätte. Der Übeltäter war Asad Khalil – und Leute wie er, seine Helfershelfer und alle, die den Tod priesen und nicht das Leben.
    Grundsätzlich lief es darauf hinaus, dass ich Asad Khalil umgebracht hatte, deshalb kam er weder vor Gericht noch ins Gefängnis, und er würde uns nicht mehr im Traum heimsuchen. Aber es gab noch mehr von der Sorte.
    »Hast du irgendwas über die Cops von der Port Authority gehört? Über die Kollegen, die in dem Wohnwagen waren?«, fragte ich Kate.
    »Tom hat erwähnt, dass sie zu zweit waren – ein Mann und eine Frau –, aber man hat sie noch nicht gefunden. Ich will jetzt nicht mehr darüber reden.«
    Ich nickte, aber die Sache ging mir nicht aus dem Kopf. Obwohl mein Kopf im seligen Pillenland schwebte, musste ich
versuchen mich auf etwas zu konzentrieren, das mir in diesem Zusammenhang zu schaffen machte.
    Asad Khalil hätte mit Sicherheit zwei Cops überwältigen können, die mit nichts Schlimmem rechneten. Doch was hatte er mit den Leichen gemacht? Es wäre durchaus denkbar, dass er in diesem kritischen Moment Helfer gehabt hatte – vielleicht ein oder zwei andere Typen, die die Cops umbrachten, die Leichen beseitigten … und Vince an den Kran hängten. Aber als ich Khalil gesehen hatte, war er allein gewesen. Wenn er also Komplizen hatte, wo waren sie dann? Schafften sie gerade die Leichen weg?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher