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Der Lockvogel

Der Lockvogel

Titel: Der Lockvogel
Autoren: Chris Morgan Jones
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es sonst bedeuten sollte.«
    Sie nickte. »Mr. Webster, ich …«
    Webster rutschte auf seinem Sitz nach vorn.
    »Ich denke, ich sollte jetzt gehen. Ich sollte gehen.« Er schaute in ihre Augen. »Mein Teil an dieser Geschichte tut mir leid.«
    »Sie dachten, dass Sie ihn retten können. Es gibt schlimmere Dinge. Ich habe nie aufgehört, das zu denken.« Sie schaute zu Boden. »Vielleicht haben Sie mehr getan als ich.«
    Webster beobachtete sie einen Moment lang und erhob sich dann. »Wenn Sie je das Bedürfnis haben zu reden …« Er griff in die Tasche nach einer Karte.
    Marina schüttelte den Kopf. »Es ist schon gut, Mr. Webster.« Sie stand auf. »Ich bringe Sie hinaus.«

    Auf der Treppe vor der Haustür, nun wieder in der Kälte, blieb Webster stehen und nahm seine Krawatte ab. Er hatte sie am Morgen am Flughafen gekauft: dunkelblau, mit nüchternem Muster. Er rollte sie lose zusammen und steckte sie in eine der Mülltonnen des Gebäudes.
    Er ging den kurzen Gartenweg bis zur Straße, und als er zum Haus zurückschaute, konnte er einen Moment lang Lock auf der anderen Seite der Mauer sehen, mit Schlamm an seinen City-Schuhen, das Haar feucht vom Nieselregen, allein in der riesigen Dunkelheit des Parks. Das Bild blieb in seinem Kopf, als er zur Hauptstraße lief. Seine Hand schwitzte am Griff des Koffers; er verspürte den Drang, das Ding wegzuwerfen und mit ihm die Hemden, die benutzten Rasierer und die Handy-Ladegeräte.
    Er fand sofort ein Taxi. »Hampstead, bitte. Well Walk.«

    Hammer öffnete die Tür direkt nach Websters zweimaligem Klopfen, als hätte er gerade zufällig davorgestanden oder schon auf ihn gewartet.
    »Ben, schön, dass wir Sie wiederhaben.«
    »Danke.«
    »Kommen Sie rein. Lassen Sie mich das nehmen.«
    Webster gab Hammer seinen Koffer und ging an ihm vorbei in den Flur, der trotz der Sonne dunkel war.
    »Keine Mary?«
    »Ich habe keine Ahnung, was sie tagsüber so treibt. Ich bin normalerweise nie hier.«
    »Tut mir leid. Ich konnte den Gedanken ans Büro nicht ertragen.«
    »Alle machen sich Sorgen um Sie.« Hammer lächelte und führte ihn in sein Arbeitszimmer. »Gehen wir hier hinein.« Hammer setzte sich in seinen Sessel und lächelte. »Sie hätten reihenweise besorgte Gesichter vorgefunden.«
    Der Raum war kalt, und das Holz im Kamin, wie bei seinem letzten Besuch, aufgeschichtet, aber nicht angezündet. Eine Lampe auf dem Schreibtisch neben dem Fenster beleuchtete das Durcheinander aus Papieren und Akten wie ein Spot. Draußen beschien die grelle Sonne die graubraunen Backsteinhäuser auf der anderen Straßenseite.
    »Das ist nett von ihnen.«
    »Ja und nein. Die wissen alle, dass ihnen das Gleiche hätte passieren können. Wenn sie an Ihrer Stelle gewesen wären.«
    »Das bezweifle ich.«
    Hammer sagte nichts, sondern hob die Augenbrauen gerade weit genug, um auszudrücken, dass es dazu noch mehr zu sagen gab. Einen Moment lang saßen sich die beiden Männer gegenüber, Hammer trommelte still mit den Fingerspitzen
auf seine Sessellehne, Webster schaute sich im Raum um – zum Kamin, zu den Büchern an der Wand, den Zeitungsstapeln am Boden – und gelegentlich blieb er an dem steten Blick seines Gegenübers hängen.
    Hammer durchbrach die Stille. »Ich hatte einen Anruf der Deutschen erwartet.«
    »Ich konnte sie davon überzeugen, Sie nicht hineinzuziehen.«
    Er nickte. »Aber Sie sollen noch einmal zurückkommen?«
    »Falls es einen Prozess gibt.«
    »Was nicht passieren wird.«
    Webster sagte nichts. Kein Prozess, praktisch keine Untersuchung.
    »Und Malin?«, fragte Hammer.
    »Er ist gestern nach Hause geflogen. Würde mich wundern, wenn sie den noch einmal wiedersehen.«
    »Vielleicht wird niemand ihn wiedersehen.«
    »Genau.«
    Noch mehr Trommeln. »Und wie geht es Ihnen?«
    »Ich bin okay.«
    »Wirklich?«
    Webster seufzte. »Ja und Nein.« Er zog ein Handy aus seiner Tasche. »Da drauf sind seine letzten Worte. Nun ja, fast seine letzten. Ich muss sie mir wieder und wieder anhören. Kriege sie nicht aus meinem Kopf. Wenn ich das mitgehört hätte, hätte ich verstanden. Ich hätte ihn retten können.«
    »Es hat funktioniert?«
    »Es hat funktioniert. Ich wollte es Ihnen nicht am Telefon sagen.«
    »Die Polizei weiß nichts davon?«
    Webster schüttelte den Kopf. »Ich habe ihnen den Abschiedsbrief
gegeben, und sie haben ihn ignoriert. Und auch die Spritze. Es war hoffnungslos.«
    »Was wurde also gesagt?«
    »Wollen Sie es hören?«
    »Ja, das will ich.«
    »Es ist auf
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