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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat
Autoren: Joseph von Westphalen
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Straßencafé saß– zum Glück in einer völlig unverfänglichen Situation. Trotzdem die Frage der Ehefrau: »Wer war das?« Viktor beschloß, die Frage zulässig zu finden: »Eine Lehrerin.« Darauf Ellen: »Du triffst dich mit Lehrerinnen!« Der Ausruf kam mit einer Arroganz, fand Viktor, als seien Lehrerinnen weniger wert als lächerlich volljuristische Rechtsanwältinnen. Er hatte damals nichts erwidert. Wenn er Beate, die Lehrerin, in Schutz genommen hätte, hätte Ellen womöglich Verdacht geschöpft. Möglicherweise hatte sie schon einen Verdacht, und dies war eine Falle. Viktor lächelte daher nur. Ellens Arroganz kam ihm nicht ungelegen. Wenn Ellen so herablassend von dem mühseligen Beruf einer Lehrerin sprach, dann konnte er sie mit um so besserem Gewissen mit eben dieser Lehrerin betrügen. Seine Liebschaft mit Beate war ihm plötzlich fast wie eine nötige Entschädigung vorgekommen, eine liebevolle Inschutznahme, um Ellens diskriminierende Äußerung wiedergutzumachen. »Sie sieht aus wie eine Dattel«, sagte Ellen. Mehr sagte sie nicht. Fortan sah auch Viktor die Ähnlichkeit von Beate zu einer Dattel – und es störte ihn, daß er sie sah. Es war Ellens Fluch, der seine hitzige Lust auf Beate zwar nicht nahm, aber doch um einige Grad minderte. Mit Beate hatte sich Viktor in der Frankfurter Zeit in Hotels getroffen. Nicht ganz billig, diese Nächte. Wenn sie die Wohnung in Frankfurt behielten, könnte er sie als Liebesnest nutzen. So dachte er.
    Viktor war kein Schlußmacher, und wenn eine Frau von sich aus das Verhältnis für beendet erklärte, fing er an zu kämpfen. So gab es Beate, die Dattel, noch immer. Bisher hatte die Frankfurter Wohnung allerdings nur ein einziges Mal als Liebesnest genutzt werden können. Susanne zog Hotels vor. Die üppige Miete zahlte Viktor von seinem Geld. Es fiel ihm nicht schwer. Er und Ellen verdienten gut. Er zahlte die Frankfurter Miete für das befreiende Gefühl, in Zürich mit einem Bruchteil seines Eigentums gut leben zu können. Er kam mit drei Prozent seiner Bücher, zehn Prozent seiner Platten und CDs und einem Viertel seiner Kleider bestens über die Runden. Und er zahlte sie für den Luxus, selten benutzte, aber erinnerungsreiche Schuhe und Jakken oder Balzac-Gesamtausgaben nicht weggegeben zu haben, sondern zusammen mit Hunderten von anderen Dingen verfügbar zu halten. Die zwei Wohnungen waren oft das Gesprächsthema, wenn Freunde zu Besuch waren. Viktor stilisierte sich gern: Ein Umzug konfrontiere ihn derart unerfreulich mit der Vergänglichkeit und der Vergeblichkeit, daß er keine Zeile mehr schreiben könne. Ellen sagte, sie sei eine Wegwerferin, sie brauche die alten Sachen nicht mehr, das sei Viktors Sache, wenn er sich diesen wahnsinnigen Luxus leiste, bitte. Dabei nutzte auch sie die teuren Lagerräume. »Drei riesige Schränke mit ihren ungetragenen Kleidern und zwei noch größere mit dem von ihrer Mutter geerbtem Geschirr stehen in Frankfurt«, sagte Viktor.
    Spott war der Umgangston, der nun schon seit einigen Jahren Viktor und Ellen zusammenhielt. Um Streitereien zu vermeiden, wich Viktor aus. Einmal entfuhr es ihm: »Das Leben ist ein Bühnenstück.« Weil Ellen nickte, fuhr er fort: Alles was man tun könne, sei, zu vermeiden, daß es eine Strindberghölle werde. Aber auch kein blutrünstiger Shakespeare mit Intrigen bitte. Und, Tschechow in Ehren, nicht dieses Lamento. Auch nicht alles mit Bonmots zugestopft wie in einer Oscar-Wilde-Komödie. Dann lieber banal. Aber bitte nicht platt. Kein Boulevardstück. Kein Tourneetheater in der Provinz. Und nie nie nie ein Fernsehrührstück.
    Ellen hatte kurz geschwiegen, fast zustimmend, fand Viktor. Dann sagte sie: »Eine billigere Lebensweisheit habe ich noch nie gehört.« Viktor senkte sofort ertappt und einsichtig den Kopf. Doch Ellen ließ noch nicht ab: Genau solchen Blödsinn könne man auch in einem schlechten Stück von Oscar Wilde in einer miesen Provinzinszenierung hören.

    Jetzt im Auto auf dem Weg zum Bahnhof war weder Viktor noch Ellen nach Definitionen ihres Zusammenlebens zumute. Ellen hörte die Nachrichten zu Ende und stellte das Radio erst nach dem Wetterbericht ab. Es würde so heiter bleiben, wie es war. »Das von den britischen Inseln kommende Hoch ‘Susanne’ hat Mitteleuropa fest im Griff«, wie der Nachrichtensprecher es formulierte. Viktor bedauerte, daß Ellen nichts von Susanne wußte. Wäre Susanne eine gemeinsame Freundin von ihnen, könnten sie sich gemeinsam
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