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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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presste sie an ihre Wange. »Remi«, flüsterte sie. »Gereon, Otker, Berengar, Comes Gerold, Samo, der alte Anskar … alle tot …?« Sie starrte auf den Boden. »Und Ganelon de Ponthieu wünscht sich, er wäre es.«
    Afdza Asdaq warf Ealhwine einen fragenden Seitenblick zu. Der alte Gelehrte erhob sich von der Truhe, auf der er saß. Er kramte umständlich in der Tasche, die er mitgebracht hatte, und holte eine eng zusammengerollte und in Leder gewickelte Schriftrolle heraus. Er legte sie mit einem bedeutungsvollen Räuspern neben Arima. »Ich muss mir mal die Beine vertreten«, sagte er dann. »Ich habe zu lange auf dem Pferd gesessen.« Er zögerte am Ausgang, als ein lauter Donnerschlag durch das Tal rollte; dann straffte er sich und stapfte hinaus.
    Arima wischte sich die Tränen ab. Sie musterte Afdzas Gesicht, dann strich sie mit den Fingerspitzen sanft über die alte Narbe. »Und du?«, flüsterte sie.
    »Kein Kratzer«, sagte Afdza. »Gott hält seine Hand über mich.«
    »Ich kann es nicht ertragen, an Rolands Tod zu denken. Und noch weniger kann ich es ertragen, an deinen …«
    Afdza wartete, bis Arima ihre Fassung wiedergefunden hatte. »Ich kann Roland nicht retten, mein Stern«, sagte er dann. »Er lässt es nicht zu.«
    »Er ist ein Narr«, sagte Arima.
    »Nein«, sagte Afdza. »Er ist ein Held. Anders als ich. Ich bin nur der Schlächter des Statthalters von Medina Barshaluna. Ich kann nicht einmal verhindern, dass morgen das schlimmste Gemetzel von allen beginnt.«
    Arima strich über die Narbe, dann beugte sie sich nach vorn und küsste Afdza. Es war ein langer Kuss, und wie bei ihrem allerersten rief er ein Echo von Leidenschaft in ihrer Seele hervor, das angesichts ihrer Lage fast beschämend war, sich aber kaum bezwingen ließ. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie krallte die Finger in sein Haar und presste seine Lippen auf die ihren.
    » Du bist der Held«, sagte sie schwer atmend. »Und du kannst das Gemetzel verhindern.«
    »Aber wie, mein Stern? Wie?«
    »Willst du erfahren, woher du deine Narbe wirklich hast?«, flüsterte sie. Sie drückte seinen Kopf gegen ihre Schulter und flüsterte ihm ins Ohr.
    Er machte sich los und starrte sie entgeistert an. Aus seinem gesunden Auge löste sich plötzlich eine Träne und lief seine Wange hinab. Er schüttelte den Kopf.
    »Du weißt, dass es die Wahrheit ist«, wisperte sie. »In deinem Herzen weißt du es.« Sie wies auf die Schriftrolle. »Und hier ist der Beweis.«
    Afdzas Lippen bewegten sich im vergeblichen Versuch, sinnvolle Worte zu formen.
    »Wir müssen es ihm mitteilen«, sagte Arima. »Bring mich morgen zu ihm, bevor die Schlacht beginnt. Wenn wir gemeinsam vor ihm stehen, wird er uns glauben. Hilf mir, Roland zu retten, Afdza. Um unserer Liebe willen.«

RÜCKBLICK
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DIE HERRIN VON RONCEVAUX
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    FRÜHLING 777 N. CHR.

BURG RONCEVAUX

    Arima spürte schon seit geraumer Zeit den Schenkel, der sich an den ihren presste. Eine Weile hatte sie es geschafft, den Druck zu ignorieren, aber mittlerweile war ihr Ärger darüber größer als jede Zurückhaltung, die sie sich auferlegt hatte. Wegrücken hatte nichts genützt; Adalric de Gasconha war einfach nachgerutscht.
    Das Bankett in der Halle von Burg Roncevaux, der Wächterin über den Ibaneta-Pass hoch über dem Passscheitel, war in vollem Gang. Dem Lärm nach zu urteilen amüsierten sie sich alle prächtig: die fränkische Gesandtschaft, die König Karl geschickt hatte; die Gascogner, die mit Adalric gekommen waren; und die Vorausdelegation der Mauren. Sie alle waren sozusagen in Fett und Fleisch und Soße und im Weingenuss vereint – wenn man davon absah, dass natürlich jeder von ihnen darauf lauerte, wann der Erzschurke von gegenüber den ersten Fehler machen würde. Zugleich warteten alle darauf, wann sie den ersten Fehler begehen würde, sie, Arima Garcez, Tochter des verstorbenen Sanche Garcez, dem Herrn von Roncevaux. Und wenn Adalric sie noch länger bedrängte, würde sie diesen Fehler begehen. Sie würde Adalric nämlich entweder die heiße Soße in den Schoß kippen, ihm beim Weiterreichen des Weinkrugs mit dem Ellbogen einen Zahn ausschlagen oder ihm ganz einfach eine solche Ohrfeige verpassen, dass er drei Tage lang rückwärts lief.
    Was die Gascogner zum Anlass nehmen würden, beleidigt aufzuspringen und ihr Schmähungen zuzurufen; was wiederum die Franken dazu brächte, sich demonstrativ auf Arimas Seite zu stellen, indem jeder von ihnen den
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