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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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Sanche, auf dem Totenbett gelegen und sich auf den Übertritt in eine bessere Welt vorbereitet hatte, war von seiner Familie nur sie, seine Tochter, geblieben. Arimas Brüder und Arimas Mutter hatten vor ihm den Weg ins Grab angetreten. Comes Sanche war jedoch nicht mit einem Fluch über sein Schicksal gestorben, sondern mit einer Träne im Augenwinkel und einer gehauchten Entschuldigung, dass er nun nicht länger auf Arima, seinen Augenstern, würde aufpassen können. Arima hatte zurückgeflüstert, dass seine Seele von dort, wo immer sie hinging, würde zusehen können, wie sie selbst auf sich aufpasste. Bis jetzt war es ihr gelungen, dieses Versprechen zu halten. Immerhin – der Tod des Comes Sanche lag bereits sechs Monate zurück …
    Schlug die Versammlung fehl, die hier, in ihrer Burg, auf dem Scheitelpunkt des Ibaneta-Passes – an der strategisch bedeutendsten Stelle des gesamten Pirenéus-Gebirges – stattfand, würde Dux Lope de Gasconha, ihr Onkel und Adalrics Vater, sie einfach aus ihrem Zuhause vertreiben. Oder noch schlimmer: verheiraten, am liebsten mit Adalric. Noch schützte das ausdrücklich ausgesprochene Wohlwollen, das König Karl ihr bekundet hatte, sie vor Lopes Machenschaften. Aber Karls Wohlwollen würde erlöschen, wenn dieses Treffen hier scheiterte. Es lag nahe, dass Adalric genau das einkalkuliert hatte.
    Der Dux war sich damals sehr schlau vorgekommen, seinen jüngeren Bruder Sanche einfach mit dem baufälligen Besitz oberhalb der Passhöhe abzuspeisen – ein Gehöft mit einer windschiefen Palisade drumherum, dessen einziger Steinbau ein niedriger Turm gewesen war und der einmal als römische Zollstation gedient hatte. Lope hatte nicht wissen können, was passieren würde: dass der Ibaneta-Pass wegen des plötzlichen gegenseitigen Interesses zwischen dem Reich der Mauren und Karls Frankenreich zu einem der strategisch wichtigsten Orte seiner Zeit werden würde. Statt ein unbedeutender Bau am Ende der Welt zu bleiben, war Burg Roncevaux plötzlich eine Art Edelstein in der Politik zweier Reiche geworden. Wer die Burg hielt, hielt den Pass. Wer den Pass hielt, hielt die einzige Handelsstraße zwischen dem Mauren- und dem Frankenreich. Und auch wenn Arima nicht übermäßig viel von Politik verstand, war ihr doch klar, dass es zum Krieg kommen würde, sobald eine der beiden Seiten in den Besitz des Passes geriet, weil die andere dann fürchten musste, dass man ihr den Übergang verwehren würde.
    Adalric, der erkannt zu haben schien, dass er in die Defensive geraten war, rammte das Tischmesser in ein Stück Fleisch und hielt es Arima hin. »Ein Leckerbissen für die Herrin von Roncevaux«, sagte er.
    Arima schenkte ihm einen Seitenblick. Seine vertrauliche Geste war eine Anmaßung. Sollte sie das Bratenstück trotzdem annehmen? Der Anführer der fränkischen Gesandten, dessen Namen sie vergessen hatte, rettete sie, indem er unvermittelt aufstand und versuchte, sich ein weiteres Stück Braten von der Mitte der Tafel zu nehmen. Er rempelte Adalric versehentlich an und Messer und Fleischstück landeten auf dem Tisch. Der Franke entschuldigte sich wortreich und mit rotem Kopf und bot Adalric zur Wiedergutmachung das Fleischstück an, das er sich soeben gesichert hatte. Arima nutzte die Gelegenheit, sich von ihrem aufdringlichen Vetter abzuwenden und eine Bestandsaufnahme der Situation vorzunehmen.
    Vor acht Jahren war der jüngere Bruder des Königs gestorben: Karlmann, mit dem Karl sich seit dem Tod ihres Vaters Pippin das Königreich der Franken geteilt hatte. Karlmann hatte zuvor noch seinen wahren Charakter gezeigt, als er seinen Bruder beim Kampf gegen die aufständischen Adligen in Aquitània im Stich gelassen hatte. Karl hatte das Heer der Rebellen zwar besiegt, aber danach waren die beiden Brüder verfeindet gewesen. Nach Karlmanns Tod hatten dessen Gefolgsleute ein blutiges Strafgericht des nunmehr alleinigen Königs Karl erwartet, aber dieser hatte Milde gezeigt. So waren auch Lope, Arimas Onkel, und Sanche, Arimas Vater, die Karlmann seinerzeit die Treue geschworen hatten, lediglich mit einem neuen Treueschwur gegenüber Karl davongekommen. Karl hatte seine Milde sogar so weit ausgedehnt, dass er Sanches einzige Tochter Arima als Mündel angenommen hatte. Mittlerweile war Arima klar, dass sie diese Gnade nicht nur der freundlichen Gesinnung Karls zu verdanken hatte. Früher als allen anderen war dem König klar gewesen, welche Bedeutung die scheinbar nebensächliche Burg
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