Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
der stählernen Lanzenspitzen. Sie zog das handförmige Amulett aus ihrer Tunika, das sie die ganze Zeit dort verborgen gehalten hatte, und reichte es einem der Soldaten. Sie fühlte seinen Blick auf sich, als er das mit ihrer Körperwärme aufgeheizte Schmuckstück an sich nahm und dann an den Wachführer weiterreichte. Dieser musterte schweigend erst das Amulett, dann Arima, dann reichte er den Anhänger ebenso schweigend zurück und trat beiseite. Arima fühlte ihr Herz so heftig klopfen, dass sie es beinahe zu hören glaubte. Die Wächter verschmolzen hinter den beiden Reitern mit der Dunkelheit. Es hatte keine Schwierigkeiten gegeben; genau so, wie es ihr gesagt worden war. Die gnadenlose Schlacht zwischen den Franken und Mauren mochte morgen in den dritten Tag gehen, aber die Disziplin der Soldaten hielt. Von fern rollte der Donner, und auf dem Wind wehte jetzt der Geruch von Regen heran.
    Das Heerlager lag halb unter Bäumen, halb im Freien. Die Soldaten saßen um niedrig brennende Feuer herum. Wer nicht seine Schwerter, Lanzen und Äxte schliff oder Scharten auswetzte, war mit dem Flicken von gesprungenen Panzerhemden befasst oder mit dem Ausbessern zerrissener Stiefel und zerhackter Schilde. Sie hörte den hellen Klang von Schmiedehämmern, die geborstene Schwertklingen zusammenfügten und Dellen in Helmen ausbeulten. Bei einem Feuer saß ein schmaler Mann mit übereinandergeschlagenen Beinen, den Kopf eines anderen Mannes im Schoß, und nähte im flackernden Lichtschein eine klaffende Wunde in dessen Wange. Der Verwundete ächzte; sein Gesicht war eine Maske aus Blut. Weitere Soldaten mit Verletzungen und Blessuren bildeten eine lange Schlange vor dem Feuer des Arztes. Es war kein Gesang zu hören, kein Gelächter.
    Stattdessen war überall eine Entschlossenheit zu spüren, die Arima sagte, dass es keinen vierten Tag der Kämpfe geben würde. Die Männer würden morgen siegen oder untergehen, und Arima hatte das Gefühl, dass es ihnen beinahe egal war, was davon für sie zutraf – Hauptsache, das Morden war endlich vorüber. Sie fühlte, dass die Soldaten Gnade weder erwarteten noch gewähren würden. Es kam ihnen nur noch darauf an, eine Entscheidung zu erzwingen.
    Arimas Herzschlag erstickte sie fast, während die beiden Pferde langsam vorwärtstrotteten, immer tiefer in das Heerlager hinein. In wenigen Augenblicken würde sie in sein Gesicht sehen, seine Hände berühren, seine Nähe spüren. Ihre Angst vor dem, was sie zu tun vorhatte, war beinahe so groß wie die Angst davor, was der nächste Tag bringen würde. Doch noch größer als alle Sorge war die Liebe, die sie empfand. Wenn sie nicht auf dem Pferd gesessen hätte, wäre sie jetzt losgerannt, hin zu dem Zelt, das sie hinter flackernden Lagerfeuern und kampierenden Kriegern im Zentrum des Heerlagers erblickte.
    Soldaten kamen auf sie zu, nickten, nahmen ihr und ihrem Begleiter die Zügel aus den Händen und führten sie in den Kreis der Zelte, die sich um die Behausung ihres Heerführers drängten. Arima ließ sich aus dem Sattel helfen. Kaum dass sie neben Ealhwine auf dem Boden stand, öffnete sich der Eingang des Zelts.
    Sie hatte die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie sie ihm begegnen würde, hier, im Kreis seiner Soldaten, in der Öffentlichkeit seines Heers. Sie hatte überlegt, dass sie ihm gemessen zunicken würde, dass sie die Begrüßung ihrem gelehrten Begleiter überlassen würde, und dass sie erst, wenn sie in der Privatheit seines Zeltes waren … dass sie erst dann …
    Er trat aus dem Zelt und blieb stehen. Sie hatte erwartet, dass er sein Panzerhemd tragen würde, seine Stiefel, sein Schwert und vielleicht sogar seinen Helm mit dem Rossschweif daran. Aber er trug nur ein fast bodenlanges Hemd aus schimmerndem Material, er war barfuß, sein langes Haar war offen. Der Feuerschein ließ die Narbe auf seiner linken Gesichtshälfte verschwimmen; im flackernden Licht sah die schmale Binde über seinem fehlenden linken Auge beinahe aus wie ein verrutschtes Diadem. Er hatte seinen Bart gestutzt. Als er sie anlächelte, vergaß sie alle Überlegungen.
    Dies war der Mann, der ihre größte Liebe war …
    »Ich habe die Sekunden gezählt seit deiner Botschaft«, sagte er.
    … dies war der Mann, um dessentwillen sie bei Nacht in ein Lager voller Soldaten geritten war, nur einen alten Mann als Begleiter …
    »Und als Leibwächter den größten Gelehrten seiner Zeit dabei«, fuhr er fort, und sein Lächeln wurde noch breiter. »
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher