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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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nächstbesten Gascogner niederschlug; was die Mauren dazu motivieren würde, beide Seiten anzugreifen, was schließlich unweigerlich dazu führen würde, dass die beiden christlichen Parteien sich am Ende gegen diese verbündeten. Das prekäre Gleichgewicht hier an diesem Ort, der Nahtstelle zwischen dem Frankenreich und dem maurischen Reich von al-Andalus, würde in den Krieg umschlagen – den zu vermeiden der eigentliche Sinn dieses Treffens war. Und sie, Arima, wäre an allem schuld, und keine Ausflucht würde gelten, weil sie außerdem das einzige wirklich heilige Gesetz gebrochen hätte, das die Franken kannten: das der Gastfreundschaft. An der Tafel des Gastgebers war selbst der Todfeind sicher.
    »Schau dir diese Franken an«, sagte Adalric mit vollem Mund und lehnte sich zu Arima herüber. »Unglaublich, dass ein Mensch so viel fressen kann. Na, sie sind ja auch alle Speckbullen.« Er lachte und nahm Arimas Hand in die seine, unter deren soßenglänzenden Fingernägeln schwarze Schmutzränder saßen.
    Adalric hatte nicht ganz unrecht: Die fränkische Gesandtschaft stand durchweg gut im Futter. Es waren stämmige Männer mit runden Gesichtern und noch runderen Bäuchen, über denen sich die bestickten Tuniken spannten. Die sehnigen Gascogner und die beinahe zierlichen Mauren sahen neben ihnen aus wie Halbwüchsige.
    Arima wusste jedoch, dass sich unter dem Speck harte Muskeln verbargen. Wer angesichts einer Gruppe korpulenter Frankenkrieger wähnte, mit den vermeintlichen Dickmöpsen leichtes Spiel zu haben, machte den letzten Fehler seines Lebens. Sie trugen ihre Wänste mit derselben Leichtigkeit wie ein antiker römischer Legionär seine Kampfausrüstung. Ihr draller Körperbau kam nicht vom Wohlleben, sondern von einer für Arima nie ganz nachvollziehbaren sakralen Verbindung zwischen dem runden Bauch einer schwangeren Frau und dem eines frei geborenen Mannes, die beide Nachwuchs und Überfluss symbolisierten. Die Fruchtbarkeit von Feld, Vieh und Volk war den Franken fast so heilig wie das Gesetz der Gastfreundschaft. Auch König Karl war kein schlanker Mann. Arima erinnerte sich an einen Hünen, der nicht nur breit, sondern auch zwei Köpfe größer als alle anderen war. Die einzigen athletisch gebauten Franken, die Arima jemals gesehen hatte, waren Karls Elitekrieger, die Paladine.
    Die Köche hatten für das Bankett drei Sorten Fleisch zubereitet: Rindfleisch und Schweinefleisch für die Franken und die Gascogner, Lammbraten für die Mauren. Sie hatten es auch auf zweierlei Art zubereitet – gebraten für die Franken, weil Arima von König Karl wusste, dass er Braten vorzog, für die anderen gekocht, was die übliche Art der Fleischzubereitung war. Die Bratenstücke waren größer als das Kochfleisch, das der Töpfe wegen in kleine Stücke zerhackt worden war. Adalric hatte von Anfang an dem Braten zugesprochen, offensichtlich aus Furcht, sonst zu kurz zu kommen. An seinem roten Gesicht und seinem Weinkonsum war zu erkennen, dass die starke Würze des Bratens, den die Franken ohne mit der Wimper zu zucken genossen – oder eher: verschlangen – ihm nicht bekam.
    Arima zog die Hand unter Adalrics Pranke heraus. »Noch Wein?«, fragte sie in der Hoffnung, den Gascogner so betrunken zu machen, dass er am Tisch einschlafen würde.
    »Wenn du ihn mir einschenkst«, sagte Adalric und lächelte schmelzend. Zwischen zwei Zähnen hing eine Fleischfaser. »Nur dann schmeckt er mir süß.«
    Arima lächelte zurück und goss Adalrics Becher voll. In Gedanken sah sie vor sich, wie sie ihm den tönernen Krug auf den Schädel hieb. Diese Vorstellung war süß! Adalric nahm den Becher auf und rückte noch näher an sie heran.
    »Auf das Wohl von König Karl«, sagte Arima.
    »Auf das Wohl des Königs«, wiederholte Adalric. »Und auf das der Blume von Roncevaux.« Es klang nicht so sicher, wie er es vermutlich gern gehabt hätte. Für ein paar Momente wurde der Druck seines Beins gegen ihres schwächer.
    Arima fühlte Befriedigung; die Erwähnung von König Karl hatte Adalric wieder in Erinnerung gerufen, wer der oberste Herr der Franken – und der Gascogner! – war, und dass Burg Roncevaux und Arima unter seinem persönlichen Schutz standen. Vor dem König hatten selbst die notorisch aufsässigen Gascogner Respekt; vor dem König und seinen Paladinen.
    Arima wusste, dass der heutige Tag die Prüfung dafür war, wie lange sie noch als Herrin von Roncevaux würde durchhalten können. Als ihr Vater, Comes
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