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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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hier«, sagte er. »Komm weg hier, der ist gefährlich. Lass ihn hier und komm mit.«
    »Ich kann nicht! Er ist... nun ja, er ist ein Kind.«
    »Ein Junges«, berichtigte der Mann.
    »Ein Unlängstgeborener«, präzisierte der Kleine.
    Stille. Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Nun gut, meine Herrschaften«, sagte der Mann, »es war mir ein aufrichtiges Vergnügen, eure Bekanntschaft zu machen, ich würde sogar sagen, ein echter Spaß. Ich möchte nicht, dass mir ein solches Übermaß an Glück schlecht bekommt, also ziehe ich weiter meines Weges als ein fürchterlicher Jäger, der zu seinem Vergnügen Mücken zerquetscht, zu seinem Überleben Kaninchen isst und vom Verkauf ihrer Felle auskömmlich lebt. Ich hoffe nur, dass ich, sollten unsere Wege sich noch einmal kreuzen, rechtzeitig Reißaus nehmen kann, bevor ihr mich seht.«
    Der kleine Elf war stutzig geworden.
    »Ach wirklich? Den Menschen bekommt das Glück nicht? Deshalb also strengt ihr euch so an, damit es euch schlecht geht! Das ist also nicht bloß Dummheit!«
    »Nein«, antwortete der Jäger. »Im Allgemeinen versuchen die Menschen, glücklich zu sein. Was ich gesagt habe, nennt man ›Ironie‹. Ich gehe fort, weil eure Gesellschaft mich daran hindert, glücklich zu sein oder einfach nur mein Kaninchen zu verzehren. Aber anstatt eine Sache zu sagen, sage ich das Gegenteil. Die Menschen machen das manchmal so. Hast du verstanden?«
    »Ja gewiss«, log der Kleine. Sie waren wirklich dumm. Verrückt und dumm. Hoffnungslos.
    »Warte«, sagte die Frau, »ich gebe dir unseren Maiskolben. Du hast unsretwegen dein Kaninchen verloren.« Aus ihrem Sack holte sie den letzten Maiskolben hervor und gab ihn dem Jäger. Der Kleine sah, wie die gelben Körner den Besitzer wechselten. Seine Augen leuchteten nicht mehr und Traurigkeit überzog sein ganzes Gesicht, doch er wagte keinen Ton zu sagen.
    »Ist das der Einzige, den du hast?«
    »Ja«, antwortete die Frau. Auch sie machte ein Gesicht, als hätte sie gerade ihre Mutter beerdigt. Die Mutter und die jüngeren Geschwister.
    Der Jäger dachte nach, dann legte er Köcher und Bogen ab und setzte sich auf den einzigen flachen Stein auf dem ganzen Hügel.
    »Nun, das Kaninchen ist weg. Ich bleibe heute Nacht hier und wir teilen.«
    Der Himmel bezog sich wieder, aber es fing nicht mehr an zu regnen. Sie ließen sich auf einem trockenen Felsen nieder. Der Maiskolben röstete über dem Feuer. Der Jäger schnitt ihn in drei Teile und sie aßen ihn langsam, jedes Korn einzeln, und dann schlief der Elf ein wie ein kleines Murmeltier. Vor dem Einschlafen dachte er noch einen Moment lang an einen Namen für den Hund: »Der mit dem Wind läuft« fand er schön, aber er war nicht sicher, ob die Länge annehmbar war. Als er fest eingeschlafen war, deckte der Jäger ihn mit seiner Pelzjacke sorgsam zu.
    Er zog ihm die Jacke auch fest über den Kopf: über Augen, Ohren und Nase. Dann holte er eine kleinere Jagdtasche hervor, die er unter dem Köcher trug, und zog eine Wachtel heraus: Sie rupften sie mit leisen und verstohlenen Bewegungen. Die Frau half mit, so gut sie konnte. Sie legten das Geflügeltier aufs Feuer, der Wind wehte in die andere Richtung, sodass der kleine Elf es nicht riechen konnte, und als die Wachtel gar war, oder wenigstens halbwegs genießbar, aßen sie sie schließlich. Diesmal aßen sie hastig, verstohlen und hastig, wie zwei Diebe, und schielten dabei ständig besorgt nach dem Kleinen, der wie ein Häuflein dalag und schlief. Als sie fertig waren, gaben sie die Knochen dem Hund, der sie überglücklich in seinem Magen begrub, sammelten die Federn ein, der Jäger ging etwas beiseite und grub ein kleines Loch, in dem er sie verschwinden ließ.
    Dann schliefen sie endlich ein.

KAPITEL 4
    D as Morgengrauen war etwas weniger trübe als sonst. Es regnete nicht und hier und da waren am Himmel ein paar blassblaue Streifen zu sehen.
    Der Mann stand zuerst auf. Er streckte sich, atmete tief durch und dachte, wie gut die Luft roch. Nach feuchtem Laub und Pilzen. Ein guter Geruch. Er betrachtete die Frau und den kleinen Elfen, die noch schliefen. Er packte seine Sachen zusammen, warf sie gemeinsam mit dem Stab, an dem die Glutkugel hing, über die Schulter, nahm die Pelzjacke, mit der er den kleinen Elfen zugedeckt hatte, wieder an sich und ging. Während er den Hügel hinunterstieg, drehte er sich um und sah noch einmal zurück auf diese zwei Häufchen am Boden, die Frau und den kleinen Elfen, neben der Asche vom
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