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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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aber ausgegangen, wir wären ohne geblieben, weil Großmutter nicht mehr die Kraft hatte und ich noch zu klein war. Dann ist das Wasser gekommen und auch das Feuer im Herd ist ausgegangen und dann ist mehr Wasser gekommen und immer noch mehr Wasser, und Großmutter hat zu mir gesagt: ›Geh fort.‹
    ›Wohin?‹, habe ich gefragt. ›Überallhin, nur fort von hier‹, hat sie gesagt. ›Das Wasser hat auch die Wachposten fortgerissen. Niemand wird dich aufhalten. Geh. Ich bin zu alt, du kannst es schaffen. Geh fort und schau nicht zurück.‹
    Und ich bin gegangen. Einen Schritt nach dem anderen, durch Schlamm und Wasser. Ich habe aber doch zurückgeschaut. Die Hütten an den Elfenplätzen haben keine Türen und auch keine Fenster, nur große Öffnungen, und so sah ich Großmutter auf ihrem Stuhl sitzen, das Wasser stieg, und sie saß da und das Wasser stieg immer höher und dann habe ich nur noch Wasser gesehen.«
    Der Kleine fing wieder an zu weinen, ein leises, fast unhörbares Wimmern.
    Der Mann und die Frauen machten Feuer, wozu sie die Glut des Jägers benutzten. Im Unterholz suchten sie eine Handvoll Kastanien zusammen. Sie rösteten sie und gaben sie fast alle dem Kleinen, denn mit Verwunderung stellten sie fest, dass sie beide keinen Hunger hatten.
    Der Kleine aß langsam, jedes Stückchen Kastanie einzeln, damit sie länger vorhielten, und seine Traurigkeit ging ein ins helle Fruchtfleisch der Kastanien.
    Vor dem Einschlafen dachte er an einen Namen für den Hund, von der gleichen Farbe wie die Kastanien, aber der Hund konnte laufen und bellen, während die Kastanien ruhig und still dalagen, einem nie das Gesicht abschlecken kamen und auch nicht wedeln konnten. Auch »Kastanie« passte also nicht. Er musste sich etwas Besseres einfallen lassen. Bevor er dazu kam, schlief er ein, in seinen Wollschal eingewickelt, beim Feuer, zwischen dem Mann und der Frau.

KAPITEL 5
    S ie wurden von Lanzenträgern geweckt.
    Es war eine Patrouille.
    Nicht nur Daligar, auch die ganze Umgebung war Sperrgebiet für alle, die hier nicht ansässig waren, unter den Ansässigen keine Verwandte hatten, nicht bei einem Ansässigen zu Gast oder jedenfalls von den Ansässigen nicht gern gelitten waren, und sie fielen unter jede dieser Kategorien.
    Die Soldaten erkundigten sich nach dem Wert ihrer mitgeführten Habe und allgemein darüber, wie sie ihr Auskommen fanden, und als sie zur Antwort erhalten hatten: »Rein gar nichts, außer den Kleidern, die wir am Leib tragen, und drei Ein-Heller-Münzen«, wurde der Ton noch unfreundlicher.
    Die Patrouille erkundigte sich eingehend nach ihrem Gesundheitszustand. Hatten sie Zecken, Läuse oder Flöhe? Hatten sie mit Cholerakranken, Leprösen, Aussätzigen oder Pestkranken Umgang gehabt, mit solchen, die an Krätze, Erbrechen, Durchfall, Fieber, Ausschlag jeder Art litten, Geschwüre, Triefaugen oder Würmer hatten? Denn in diesem Fall wären sie auf der Stelle erschlagen worden, um jegliche Ansteckung zu verhindern.
    Auch ihr Kind war gesund? Warum trug die Mutter es dann, in einen Schal gewickelt, auf dem Arm, wenn es gesund war? Weil es klein und müde war und greinte? Nein, kleine, müde und greinende Kinder waren nicht verboten.
    Dann kamen die Waffen an die Reihe. Führten sie Schnitt-, Wurf-, Brand-, Hieb-, Stich-, Kneif- oder Sägewaffen mit sich, Waffen für die Jagd, den Kampf zu Fuß, zu Pferde oder auf dem Muli, auf allen vieren, fürs Duell, für Bandenkriege oder Grabenkriege, Belagerung und Gegenbelagerung, das Tontaubenschießen oder zum bloßen Vergnügen? Jaaaa? Einen Bogen, einen Dolch, eine Axt, eine kleine Sense, ein Brotmesser. Alles beschlagnahmt. Auch die beiden Kugeln zum Transportieren des Feuers: Brandwaffen.
    Waren sie es gewesen, die zwei ganze Äste aus dem Besitz der Grafschaft Daligar abgeschlagen und vier Farnpflanzen ausgerissen hatten, um sich einen Unterschlupf zu bauen? Das fiel unter den Paragrafen »Vergehen am Staatseigentum«, wofür ein eigenes Gerichtsverfahren vorgesehen war.
    Ob es ihnen etwas ausmachte, den Hund festzuhalten, während sie ihn in einen Käfig sperrten? Jede Art von Tieren war verboten, Haustiere wie wilde Tiere, und ihr Vieh fiel unter beide Kategorien.
    Jetzt konnten sie gehen.
     
     
    Umringt von den Lanzenträgern, kamen sie nach Daligar hinein. Das war der verrückteste und unglaublichste Ort, den der kleine Elf je gesehen hatte. Überall Menschen: große, kleine, männlich, weiblich, bewaffnet, unbewaffnet, mit Kleidern in
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