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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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Fuß verfing sich darin. Er schlug hin, das Gesicht im Schlamm. Der Hund war über ihm. Es war aus.
    Der Kleine wagte nicht zu atmen.
    Die Sekunden verrannen.
    Der Hund hechelte ihm seinen Atem auf den Hals und hielt ihn fest, doch zugebissen hatte er nicht.
    »Lass los«, sagte eine Stimme.
    Es war eine barsche, herrische Stimme. Der Hund ließ los. Der kleine Elf begann wieder zu atmen. Er sah nach oben. Der Mensch war riesig. Auf dem Kopf hatte er gelbliche Haare, die zusammengedreht waren wie eine Vorhangkordel. Er hatte keine Haare im Gesicht. Dabei war Großmutter in diesem Punkt ganz eindeutig gewesen: Menschen haben Haare im Gesicht und die nennt man Bart. Das ist eines von den vielen Dingen, in denen sie sich von den Elfen unterscheiden. Der kleine Elf konzentrierte sich, um sich zu erinnern, dann hellte sich sein Gesicht auf.
    »Du sein ein weiblicher Mensch«, schloss er triumphierend.
    »Das heißt Frau, Dummkopf«, sagte der Mensch.
    »O, Verzeihung bitte, Frau Dummkopf, ich aufpassen besser, jetzt ich sagen richtig: Frau Dummkopf«, versetzte der Kleine eifrig. Die Sprache der Menschen war ein Problem für sich. Er kannte sie kaum und die Menschen waren immer so schrecklich empfindlich, und wenn man ihre Empfindlichkeit verletzte, wurden sie böse. Auch in diesem Punkt war Großmutter ganz sicher gewesen.
    »Bürschchen, willst du, dass es ein böses Ende mit dir nimmt?«, drohte der Mensch.
    Der kleine Elf war verdutzt.
    Großmutter zufolge war es der vollständige Mangel jeder Form des logischen Denkens, kurz auch »Dummheit« genannt, was das Geschlecht der Menschen grundsätzlich von dem der Elfen unterschied, aber auch wenn Großmutter ihn darauf vorbereitet hatte, diese Frage war dermaßen abgrundtief albern, dass sie ihn verwirrte.
    »Nein, Frau Dummkopf, das ich wollen nicht«, versicherte der kleine Elf, »ich wollen kein böses Ende nehmen. Das gehören nicht zu meinen Plänen«, betonte er.
    »Wenn du noch einmal ›Dummkopf‹ sagst, hetz ich den Hund auf dich! Das ist eine Beleidigung«, erklärte die Frau aufgebracht.
    »Aha, jetzt ich verstehen«, log der kleine Elf und versuchte verzweifelt, sich den Sinn dieser Worte zu erklären. Warum wollte der Mensch beleidigt werden?
    »Du bist ein Elf, nicht wahr?«
    Der Kleine nickte. Besser, er sprach so wenig wie möglich. Besorgt warf er einen Blick auf den Hund, der als Antwort knurrte.
    »Ich mag Elfen nicht«, sagte der Mensch.
    Der Kleine nickte noch einmal. Die Angst verbrüderte sich mit der Kälte. Er begann zu zittern. Kein Mensch mag Elfen, das hatte Großmutter schon immer gesagt.
    »Was willst du? Warum bist du hergekommen?«, fragte die Frau.
    »Kalt.« Dem kleinen Elfen versagte die Stimme. Kälte, Müdigkeit, Angst, alles zusammen. Mit zitternder Stimme sagte er: »Die Hütte …« Wieder versagte ihm die Stimme.
    »Spiel hier nicht den Leidenden. Du bist doch ein Elf, oder? Du hast deine Zauberkräfte. Elfen leiden weder unter Kälte noch unter Hunger. Wenn sie wollen, fühlen sie weder Kälte noch Hunger.«
    Der Elf brauchte sehr lang, um den Sinn dieser Worte zu begreifen, dann strahlte er.
    »Wirklich?«, fragte er glücklich. »Ich können so etwas wirklich machen? Und wie ich anstellen das?«
    »Das weiß ich doch nicht«, brüllte die Frau, »du bist der Elf. Wir, wir gewöhnlichen Menschen, dumm und zurückgeblieben, wir müssen mit Kälte und Hunger leben.« Die Stimme des Menschen war nun wirklich böse.
    Der kleine Elf fühlte, wie die Angst ihn überwältigte, sie trocknete ihm die Kehle aus wie Wüstenhitze, sie stieg ihm ins Gesicht und er fing an zu weinen. Es war ein Weinen ohne Tränen, ein bloßes Wimmern und entsetztes Schluchzen. Die Frau spürte die ganze Verzweiflung und Angst, die darin lagen, und ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken.
    »Aber was habe ich denn Böses getan?«, fragte sie sich. Der Kleine weinte noch immer. Es war ein herzzerreißender Ton, in dem der ganze Jammer der Welt lag und der einen im Innersten ergriff. »Du bist ein Junges, nicht wahr?«
    »Ein Unlängstgeborener«, bestätigte der Kleine. »Herr Mensch«, setzte er dann hinzu, als er endlich glaubte, einen Ausdruck gefunden zu haben, der nicht beleidigend klingen würde.
    »Hast du irgendwelche Zauberkräfte?«, fragte die Frau. »Sag mir die Wahrheit.«
    Der Elf sah sie weiterhin unverwandt an. Nichts von dem, was der weibliche Mensch sagte, hatte einen Sinn.
    »Zauberkräfte?«
    »Alles, was du so machen
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