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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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sympathisch gefunden hatte, er hatte auch einen schönen Namen, der Jäger war wohl ein bisschen grob gewesen, als sie miteinander geredet hatten. Das sagt man nicht zu jemandem, dass einen sein Zuhause nicht besonders interessiert. Das ist nicht höflich. Das tut man nicht.
    »Du bist ein Elf«, sagte der Richter streng.
    Er sprach die Worte langsam aus, der Ton war feierlich und getragen, auf das Wort »Elf« hatte er besonderen Nachdruck gelegt, sodass die Buchstaben E, L, F einzeln hervorkamen und wie Steine auf die Menge herabfielen, die verstummt war.
    »Er ist noch ein Junges«, sagte der Jäger.
    »Ein Kind«, sagte die Frau.
    »Ein Unlängstgeborener«, berichtigte der Kleine stolz. Auch er wollte seinen schönen Namen bekannt machen: »Yorschkrunsquarkljolnerstrink«, stellte er sich mit einer leichten Verbeugung vor.
    »Rülpsen ist im Gerichtssaal verboten«, sagte der Richter finster, »und ich, der Richter für Daligar und angrenzende Gebiete, verbiete dir auch zu lügen.« Bei diesen letzten Worten hatte er eine noch feierlichere Miene aufgesetzt und sich erhoben.
    Der Kleine war völlig verwirrt. Elfen können nichts anderes sagen, als was sie im Kopf haben. Nun ja, kleine Höflichkeitslügen: Sagen, dass man verstanden hat, wenn die Worte des anderen unverständlich sind, denn Dumme wie Dumme zu behandeln, ist schlechte Erziehung, aber das war auch schon alles. Was im Kopf drin ist, ist auch draußen. Aus der Verwirrung wurde Enttäuschung. Auch wenn er einen schönen Namen hatte, dieser Mensch war nicht weniger verrückt als alle anderen.
    »Und ich verlange, dass du mich mit dem gebührenden Respekt anredest.«
    Wie war noch gleich die Höflichkeitsform? Der kleine Elf wurde unruhig.
    »Dummkopf!«
    Nein, das war es wohl nicht.
    »Dummkenz, nein, Exzellopf«, wie war das noch gleich? »Ruhe!«, brüllte der Richter in die grinsende Menge. »Und du, sprich mich mit VERWALTUNGSRICHTERFÜRDALIGARUNDDIEANGRENZENDENGRAFSCHAFTEN an«, schloss er, an den Elfen gewandt.
    »Aber gewiss doch, gewiss!«, erwiderte der Kleine voller Eifer, wobei er übers ganze Gesicht strahlte: »VERWALTUNGSRICHTERFÜRDALIGARUNDDIEANGRENZENDENGRAFSCHAFTEN ist ein wunderschöner Name. Wir könnten den Hund so nennen«, setzte er triumphierend hinzu.
    Da brüllte die ganze Menge vor Lachen los. Ein alter Herr erstickte fast vor Lachen und ein Lanzenträger ließ sich die Lanze auf die Füße fallen. Das heizte die allgemeine Heiterkeit noch weiter an.
    Davon angesteckt, fing der Kleine auch an zu lachen: Wenn die Menschen lachten, waren sie wirklich schön.
    Der Einzige, der ernst blieb, war der Richter. »Antworte mir«, sagte er zu dem Kleinen, »kennst du diesen Mann und diese Frau?«
    »Ja«, sagte der Kleine entschieden.
    »Haben sie sonst noch etwas begangen, außer dem schweren Verbrechen, einen Elfen bei sich zu führen, und dem noch schwereren Verbrechen, ihn durch Hinterlist in unsere geliebte Stadt einzuschmuggeln?«
    »Jaaaaaa. Der männliche Mensch isst Kadaver, ich glaube, mit Rosmarin, ihre Häute verkauft er und verdient Geld damit, der weibliche Mensch hat seine Mutter und seine älteren Geschwister verkauft, nein, die jüngeren... mmmh... ja, zuerst die jüngeren, ach, ich weiß nicht mehr.«
    Wieder tiefes Schweigen. Und dann brach auf einmal ein Heidenlärm los, man verstand wirklich überhaupt nichts mehr.
    »Ich habe es dir ja gesagt, dass ich das Unheil anziehe«, sagte die Frau zum Jäger. »Warum bist du nicht deiner Wege gegangen?«
    »Ich muss in meinem früheren Leben meinen Vater verkauft haben«, antwortete er.
    Während man sie abführte, sah der kleine Elf das Huhn wieder: Es hockte in einer Fensternische, wo es eine Art Nest mit zwei Eiern darin hatte. Sie sahen sich einen Moment lang an und grüßten sich, denn einen Augenblick lang waren sie ein Geist gewesen und das verband sie für immer.
    Der Kleine fragte sich, ob »Huhn« oder »Henne« ein guter Name für den Hund sein könnte. In der Form waren sie ja nicht gleich, aber die Farbe der Schwanzfedern beim Huhn ähnelte ein wenig der am Schwanz und an den Hinterpfoten beim Hund. Doch dann dachte er, dass der Hund keine Eier legte und das Huhn einem nicht das Gesicht abschleckte, wenn es sah, dass man traurig war, also passte auch dieser Name nicht.

KAPITEL 6
    M an hatte sie an einen Ort gebracht, der Gefängnis hieß.
    Dort war es wirklich wunderschön.
    Alles war aus festem Stein, mit dicken Pfeilern und schönen Bogengewölben. Dieser
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