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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison
Autoren: Ake Edwardson
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Wald. Ich hörte das Bellen des Hundes im Zwinger auf dem Grundstück, das fünfzig Meter entfernt lag. Das Bellen des Hundes war laut, er zerrte an seiner Kette.
    Ich dachte an meine Mutter auf der Bahre im Krankenhaus. Vielleicht lag sie im Beerdigungsinstitut und wartete. Wie sie es jetzt wohl haben würde, da dieser Teil vorüber war, da etwas anderes begann, etwas Besseres? So dachte ich. Etwas schabte in der Jackentasche. Ich fühlte nach und ein großes Glasstück hatte ein Loch direkt durch den Stoff geschnitten. Der Rahmen mit dem Foto war dabei herauszufallen.
     
    Auf der Straße waren keine anderen Autos. Sie fuhren über den Bahnübergang bei Bengtssons. Der ältere Mann fuhr, wie man fährt, wenn man jede Kurve und die Strecken dazwischen kennt. Der Jüngere öffnete das Fenster auf seiner Seite und der Wind zerzauste sein Haar. Die Sonne war dabei unterzugehen, aber es würde noch eine Weile dauern, ehe sie hinter den Bäumen versank. In der Entfernung hörte er den Zug. Es ist ein anderes Geräusch geworden, dachte er.
    »Was denkst du?«, fragte der Ältere.
    »Schnurrt gut«, sagte der Jüngere.
    »Der hat ein paar Jahre unter der Motorhaube, aber er klingt wie eine Katze.«
    »Ja.«
    Sie schwiegen eine Zeit lang. Der Wald kam nah an den Weg heran. Hier ist nichts passiert, dachte der jüngere Mann. Das Einzige ist, dass der Wald näher gekrochen ist und dass der Zug anders klingt.
    »Du sollst wissen, dass wir froh sind, dass du nach Hause gekommen bist«, sagte der Ältere. »Auch wenn es nur für kurze Zeit ist.«
    »Ja.«
    »Du hast dich nicht verändert, du.«
    »Was?«
    »Du redest nicht viel.«
    Der Jüngere antwortete nicht.
    »Gut so, Lennart.«
    Sie hatten die größere Straße verlassen und waren auf etwas Gottverlassenes gerumpelt. Es ist ja vieles gut in Schuss hier, aber diese Straße nicht gerade, dachte der Jüngere.
    In ihm gab es ein Gefühl des Wiedersehens. Das hier erkenne ich vielleicht wieder.
    »Wie alt bist du jetzt, Lennart?«
    »Sechsundvierzig.«
    »Das ist kein Alter.«
    »Kommt drauf an, womit man es vergleicht.«
    »Man kann es mit mir vergleichen«, sagte der Ältere.
    »Wenn man es mit mir vergleicht, dann ist es verdammt noch mal kein Alter für ein Pferd. Du bist nur ein Junge. Weißt du, wie alt ich bin, Lennart?«
    »Ich weiß, dass du Anfang der dreißiger Jahre geboren bist«, meinte der Jüngere.
    »Am 18. Januar 1933 bin ich geboren«, sagte der Ältere. »Und das ist auf den Tag genau, zwei Jahre ehe Elvis geboren wurde.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Elvis wurde am 18. Januar 1935 in East Tupelo, Mississippi, geboren und zwei Jahre vorher wurde ich in East Kroksås, Småland, geboren.«
    Der jüngere Mann, der bloß ein Junge war, lächelte.
    »Das steht geschrieben«, sagte der Ältere.
    Sie hatten sich mit dem Auto zu einer Lichtung im Wald gearbeitet. Hier war die Straße breit und locker aufgeschüttet. Ein Holzzaun hing schief auf einer Weide. Die Weide war schmal und lang und schien sich über die Wiesen fortzusetzen.
    »Hier haben wir unsere Stelle«, sagte der Ältere.
    »Ich hatte vorher schon das Gefühl, als würde ich das wiedererkennen«, sagte der Jüngere.
    »Erinnerst du dich, wie wir mal hierher gefahren sind?«
    »Ich habe es nie vergessen.«
    »Gut so, Lennart.«
     
    Sie lehnten sich auf den Holzzaun. Es war warm. Es ist, dachte der Jüngere, als hätte die Sonne den Beschluss gefasst, sich ihnen zu zeigen, ihre wärmenden Strahlen zu ihnen zu schicken.
    Er schloss die Augen und spürte einen Schatten auf dem Gesicht. Er sah auf und entdeckte eine dunkle Wolke, die sich von Norden vor die Sonne schob. Die Wärme war immer noch da, aber die Sonne war verschwunden.
    »Es war der 14. August 1961, als wir hier waren«, sagte er, der älter war.
    Der Jüngere sagte nichts.
    »Du sagst nichts, aber du fragst dich, wie ich das wissen kann. Das ist ganz einfach. Zwei Tage vorher rückte Surrender auf Platz fünfundzwanzig in den englischen Charts.«
    Plötzlich fing es an zu regnen, heftig und schwer. Sie gingen zum Auto zurück und setzten sich auf den Vordersitz. Das Licht im Auto war gedämpft. Der Ältere beugte sich über den Jüngeren, öffnete das Handschuhfach und holte eine Flasche heraus.
    »Willst du etwas?«, fragte er und hielt die Flasche in das Licht, das durch die Windschutzscheibe blitzte.
    »Nein danke.«
    »Gut so, Lennart. Es ist eine schreckliche Unart.«
    Er trank, ließ die Flasche sinken und schraubte sie zwischen den
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