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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison
Autoren: Ake Edwardson
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auf mein Bein.
    Er sah auf das Bein.
    »Hast du Fußball gespielt?«
    Ich nickte.
    »Ich spiele auch Fußball«, sagte er.
    Ich nickte wieder. Er sah zu den Kindern, die angelten. Ich fragte mich, was er wohl dachte, wenn er so schweigsam war wie jetzt. Ich machte mir nicht viele Gedanken über ihn, aber wenn er wie jetzt schwieg und aussah, als würde er in sich selbst versinken, fragte ich mich mitunter, was er wohl dachte. Vielleicht war er auf einem Fußballfeld, auf dem Weg zum frei stehenden Tor. Vielleicht war er froh. Vielleicht war er so verzweifelt, wie er aussah.
    Wir waren gleichaltrig. Er besaß genug Verstand, um Moped fahren zu können. Er wohnte mit seinen alten Eltern außerhalb, im Norden im Wald. Sie kriegten ihre Sachen nach Hause gebracht, verließen das Grundstück nie. Ihr Sohn, der Idiot, stellte die Kontakte zur Außenwelt her. Sein Blick war immer woanders, aber er war trotzdem in der Umwelt gegenwärtig, mit seinem großen Körper und seinen schweren verlangsamten Bewegungen, wie in Zeitlupe. Er würde noch hier sein, wenn ich weg war. Auf die Weise war er größer als ich, als wir alle. Der Idiot war auf diese Weise größer als das Leben.
    »Sollen wir einen Kaffee trinken?«
    Er sah mich mit diesen Augen an und wandte dann den Blick ab, zur Insel mitten im Fluss. Er vertraute mir nicht.
    »Ich lade dich ein«, sagte ich.
     
    Er war schweigsam am Tisch. Ich spiegelte mich in seinen Augen, ich suchte dort nach etwas. Er war einer von uns, aus unserer Gegend. Vielleicht war er am repräsentativsten.
    Der Ball lag auf einem Stuhl neben ihm. Zu Hause waren sie wahrscheinlich zu viert um den Tisch: sein Vater und seine Mutter, der Idiot und der Ball. Eine Familie. Als ich daran dachte, wurde ich neidisch. Er engagierte sich in seinem Leben, aber ich war nicht sicher, ob ich dasselbe tun würde, wenn mein Leben erst richtig beginnen würde. Alles das hatte er schon getan, bevor er starb.
     
    Der Bruder saß an einem Tisch in der Bar, als er in das kleine Hotel zurückkam. Das Hotel war neu und das erste in der Gemeinde. Vorher hatte es nur Fremdenzimmer gegeben und niemals eine Bar.
    Es war sieben Uhr und er war den ganzen Weg um den See gegangen. Er hatte dafür weniger Zeit gebraucht, als er gedacht hatte. Die letzte halbe Stunde war er auf der Straße gegangen, doch es war eher wie ein Schlafwandeln gewesen.
    »Willst du ein Bier?«
    »Ja.«
    Der Bruder ging zur Theke und kaufte zwei Glas Bier. Sie saßen schweigend da und tranken eine Weile und er fragte sich, wie sein Bruder es wohl sagen würde.
    »Bist du sicher, dass das hier die richtige Methode ist?«, fragte der Bruder, nachdem sie das halbe Bier getrunken hatten.
    »Was ist das für eine Frage?«
    »Ich bin dein Bruder.«
    »Was heißt das, dass du es gerade jetzt sagst?«
    »Nur damit wir wissen, dass kein Zweifel besteht.«
    »Wenn Zweifel bestünde, dann hätte sich das wohl schon eher gezeigt«, sagte er und spürte die Wut wie ein Jucken in der Nase, wollte es aber nicht zeigen.
    »Zweifel können jederzeit auftauchen. Das kann ja auch gut sein«, erwiderte der Bruder.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Es ist ja deine Sache und ich bin nicht sicher, ob es eine gute Sache ist, aber es ist deine Sache«, sagte der Bruder. »Deine Sache.«
    »Ja.«
    »Was macht man nicht alles für seinen Bruder.«
    »Wir wollen ja keine Bank ausrauben.«
    »Wenn es nur so wäre«, sagte der Bruder und fragte dann, ob er noch ein Bier wolle, aber er lehnte dankend ab.
    »Ich werde auf jeden Fall noch eins trinken.«
    »Na klar.«
    »Wenn du nur hergekommen wärst, um eine Bank auszurauben«, sagte der Bruder, als er von der Theke zurückgekommen war und sich ihm gegenübergesetzt und einen Schluck von seinem Bier genommen hatte.
    »Wir können es tun, wenn es dich glücklich macht«, sagte er.
    »Ohne Plan«, meinte der Bruder.
    »Das ist die beste Methode«, entgegnete er. »Die Sachen mit Plan erfordern oft so viele Leute und dann geht es schief.«
    »Rein und mit einer Pistole herumfuchteln, ist ein besseres Modell.«
    »Ja. Aber es muss ein Maschinengewehr sein.«
    »Spielzeuggewehr.«
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Klar spielt das eine Rolle, verdammt«, sagte der Bruder. »Mit einem Spielzeuggewehr bringt man niemanden um.«
    Sie saßen schweigend da.
    »Das hier ist schlimmer, als eine Bank auszurauben«, sagte der Bruder nach einer Weile.
    »Ich will ihn nur treffen«, sagte er und dachte, das haben wir doch schon alles besprochen.
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