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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht
Autoren: Helena Brink
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frei.
    Die Polizisten standen um ihn herum und erwarteten Informationen. Sie hätten nicht so gutgläubig sein sollen …
    »Tut mir Leid«, sagte er, »aber es gibt kein Versteck. Ich wollte nur sichergehen, dass der Hund auch wirklich erschossen wird, ehe wir von hier verschwinden.« Er sah den Weißhaarigen lächelnd an.
    »Keine Sorge, im Prinzip bin ich zur Zusammenarbeit bereit, aber Sie haben mich ja schließlich auch ganz schön an der Nase herumgeführt. Ich glaube, jetzt sind wir quitt.«

    Um kurz vor eins rollten sie die Allee hinunter. An der Abzweigung mussten sie stehen bleiben, um einen großen, silbergrauen Mercedes mit ausländischem Kennzeichen passieren zu lassen. Doch der Mercedes, der bereits blinkte, um auf die Allee einzuschwenken, schien zu zögern. Hinter den getönten Scheiben sahen sie vier ausdruckslose Gesichter. Dann beschleunigte der Mercedes plötzlich und fuhr stattdessen geradeaus weiter.
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    Der Weißhaarige neben ihm notierte sich das Kennzeichen und fragte: »Kannten Sie die Leute?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Nach einigen Sekunden fügte er hinzu: »Und ich bin froh, sie auch nicht kennen gelernt zu haben.«
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    38
    Mittwoch, 24. Mai
    Der plötzliche Wirbel machte Lady Pamela etwas nervös. Nicht weniger als vier Personen standen um ihren Pappkarton herum und bewunderten wortreich ihre Nachkommen. Sie schleckte hingebungsvoll ihre piepsenden Jungen und fauchte leise, wenn eine Hand ihnen zu nah kam.
    Marika und Daniel waren gerade erst angekommen, aber da Lady Pamelas Niederkunft eine wichtige Familienangelegenheit war, hatten sich alle sogleich um ihren Karton geschart, um das Ergebnis zu bewundern.
    Der Moment war so friedvoll, dass Katharina es sich verkniff, ihre Sorge über die sprunghafte Vergrößerung ihres Katzenbestands zu äußern. Marika, die in der Metropole Kalmar ein aufreibendes Gymnasiastenleben führte, war in dieser Hinsicht weniger taktvoll:
    »Wie still und ruhig ihr es hier habt. Nur Lady Pamela bringt ab und zu ein paar Junge zur Welt, sonst passiert gar nichts.«
    Als ihr Vater angesichts dieser Aussage in schallendes Gelächter ausbrach, warf ihm Katharina einen vorwurfsvollen Blick zu.
    »Du erschreckst die Katzen«, sagte sie. Dann wandte sie sich ihrer Tochter zu. »Was passiert in Kalmar denn alles?«
    »Na … alles Mögliche eben … in einer Tour … man hat nicht eine ruhige Minute«, antwortete Marika mit erschöpftem Gesichtsausdruck.
    »Davon musst du mir mehr erzählen«, sagte Katharina, »aber jetzt setzen wir uns erst mal zu Tisch, das Essen ist fertig.«
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    Während sie aßen, erhielten Katharina und PM einen anschaulichen Querschnitt aus dem Alltag ihrer Tochter und deren Freundes, der harte Arbeit und leuchtende Zukunftspläne ebenso umfasste wie stupide Vorschriften, dämliche Lehrer und ein spannendes Nachtleben, dessen Verlockungen in einem bedauerlichen Missverhältnis zu ihren finanziellen Möglichkeiten stand. Schließlich kamen sie auf ihre Ferienpläne zu sprechen. Im Sommer wollten Marika und Daniel per Interrail durch Europa fahren und sich in Rom verloben. Die frisch informierten Eltern waren höflich genug, ihre zwiespältigen Gefühle angesichts dieser Nachricht zu unterdrücken. Während des Desserts fragte Marika ihren Vater:
    »Ist hier irgendwas Erwähnenswertes passiert, seit ich das letzte Mal da war?«
    PM schien angestrengt nachzudenken.
    »Nein, äh, eigentlich nicht … abgesehen von der Tatsache, dass deine Mutter vorgestern fast von einem Hund verspeist worden wäre, als sie mit dem geistesgestörten Bauern auf Knigarp sprach, der in Wahrheit gar kein Bauer, sondern eine Art Mafiaboss ist. Er selbst hatte sich für einen ehemaligen Polizeispion ausgegeben, während er den echten Spion ermorden ließ …«
    Katharina verdrehte die Augen und stieß einen demonstrativen Seufzer aus, doch ihr Mann ließ sich nicht aufhalten.
    »Und vor ein paar Wochen hätte sie fast diesen hübschen Schweizer, du weißt schon, für den ihr beide eine Schwäche hattet, ins Jenseits befördert. Sie hat ihm das Nasenbein gebrochen, aber um den Kerl ist’s nicht schade, der ist nämlich auch ein Ganove …«
    Marika warf Daniel einen verstohlenen Blick zu, als fürchte sie, die bizarren Einfälle ihres Vaters könnten ihn allzu sehr verunsichern.
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    »Was erzählst du denn da für einen Blödsinn?«, fragte sie.
    »Hast du das etwa geträumt?«
    »Frag deine Mutter.«
    »Er hat das nicht geträumt«,
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