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Der Küss des schwarzen Falken

Der Küss des schwarzen Falken

Titel: Der Küss des schwarzen Falken
Autoren: Barbara McCauley
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verstanden.
    Seufzend setzte sich Grace wieder. “Es ist eine ziemlich komplizierte Geschichte.”
    Julianna lachte. “Welche Geschichte zwischen Mann und Frau ist das nicht? Gelegentlich muss ich Ihnen von Lucas und mir erzählen. Da werden Sie sich wundern.”
    Grace schüttelte den Kopf. “Mit Ihnen und Lucas ist das, glaube ich, etwas anderes. Man merkt, dass Sie sich sehr lieben.”
    Julianna strich sich über den Bauch und sagte mit einem verträumten Blick: “Wenn ich diesen Mann wegen seiner Sturheit nicht gerade am liebsten erwürgen möchte, liebe ich ihn wirklich wahnsinnig.”
    “Das mit der Sturheit muss in der Familie liegen.”
    “Das glaube ich gerne. Wenn es stimmt, können Sie sich bei Rand jedenfalls auf einiges gefasst machen.”
    Für Warnungen solcher Art ist es zu spät, dachte Grace, während sie an ihrem Keks knabberte. Rand Blackhawk hatte bereits einen festen Platz in ihren Gedanken, und ihm gehörte ihr Herz. Sie hatte ihn einmal gefragt, wie es ihm gelungen sei, weiterzuleben, nachdem er seine Familie verloren hatte. Er hatte nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: “Das Leben geht weiter.” Sie war nicht sicher, wie das funktionieren sollte, musste aber schon deshalb glauben, dass das Leben immer weiterging, weil sie sonst Gefahr liefe, ihn anzuflehen, ob er es nicht wenigstens auf einen Versuch, sie zu lieben, ankommen lassen wolle.
    Aber es war nun einmal so, dass die Dinge für sie beide unterschiedlich lagen. In den letzten paar Tagen hatte er jemanden gebraucht – und sie war da gewesen. Er hatte erfahren, dass seine seit dreiundzwanzig Jahren tot geglaubten Geschwister noch am Leben waren. Er hatte den Schock, betrogen worden zu sein, verarbeiten müssen. Er war unvermittelt damit konfrontiert, doch eine Familie zu haben.
    Aber jetzt war er, wenn man es so nennen konnte, angelangt. Er hatte Lucas und Julianna, und bald sicherlich auch Seth und Lizzie. Dann würde er sie, Grace, nicht mehr brauchen. Für Rand war sie sicherlich eine großartige Geliebte gewesen. Aber seine große Liebe war sie genauso sicher nicht. Deutlich genug hatte er ihr gesagt, dass er für Heim und Herd nicht geschaffen sei. Aber sie war es. Wenn sie sich hier bei Lucas und Julianna umschaute, wenn sie die Kinder sah, wusste sie, was sie wollte. Unter dem machte sie es nicht.
    Es ist Zeit zu gehen, das wurde ihr schlagartig klar. Es war das Beste, Rands Leben genauso plötzlich zu verlassen, wie sie da hineingeplatzt war. Und, betrachtete man es recht, war es so auch leichter für sie beide. Vielleicht würde er noch eine Zeit lang traurig sein und es ihr übel nehmen, dass sie so sang- und klanglos verschwunden war, ohne Auf Wiedersehen zu sagen, aber auf lange Sicht war er sicherlich erleichtert darüber. Abschiede hatten immer etwas Grauenhaftes. So aber liefen sie erst gar nicht Gefahr, sich gegenseitig etwas vorzumachen und sich zu versprechen, dass sie sich mal wieder melden würden.
    Grace hielt in ihren Gedanken inne. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie einfach nicht den Mut dazu hatte, Rand ins Gesicht zu sagen, dass sie gehe. Sie wusste zu gut, wie das enden würde. Sie würde sich in Tränen aufgelöst an ihn klammern. Nein! Das wollte sie weder sich noch ihm antun.
    Grace gab sich einen Ruck. Jetzt galt es zu handeln. Lucas und Rand waren noch immer auf dem Grundstück unterwegs. Jetzt oder nie hieß die Devise. Sie schützte eine Migräne vor und bat Julianna, es ihr nicht übel zu nehmen, wenn sie doch nicht mit ihnen esse, und sie bei den anderen zu entschuldigen. Auf ihre Frage, ob es Lucas möglich sei, Rand am Abend zum Hotel zurückzufahren, nickte Julianna.
    Julianna und sie umarmten sich zum Abschied. Dann stieg Grace in Rands Pick-up und fuhr zum Hotel. Dort packte sie in aller Eile ihre Sachen, hinterließ Rand ein paar nicht zu gefühlvolle Zeilen und verschwand – aus dem Hotel und aus Rands Leben.

11. KAPITEL
    Vieles in Wolf River sah anders aus, als Rand es aus seiner Kindheit in Erinnerung hatte. Das Postamt beispielsweise, das früher ein bescheidener Schalter in der hintersten Ecke von
Rexall’s Drugstore
gewesen war, war in einen Neubau aus Glas und Klinker an der Ecke Gibson und Main Street umgezogen. Das Kinocenter lag jetzt in der Third Street, wo sich früher die Eisdiele
Drexler’s Ice Cream
befunden hatte. Und statt eines Drive-in-Restaurants gab es jetzt zwei.
    Ob Wolf River das wirklich braucht, fragte sich Rand, als er die Main
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