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Der Küss des schwarzen Falken

Der Küss des schwarzen Falken

Titel: Der Küss des schwarzen Falken
Autoren: Barbara McCauley
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der Kanzlei von Henry Barnes erfahren hatten, war klar, dass es zwischen den beiden Männern eine Menge zu besprechen gab, bei dem sie besser unter sich waren. “Vielleicht gelingt es mir ja auch, ein paar von den herrlich duftenden Keksen zu ergattern”, fügte sie hinzu, während sie Julianna folgte.
    “Ergattern Sie für uns welche mit”, rief Lucas lachend. Grinsend wandte er sich dann wieder an Rand. “Meine Frau hat mit dem Baby zehn Kilo zugelegt in den letzten Wochen. Ich soll zum Ausgleich dafür Diät halten. Ist das gerecht? Aber so sind die Frauen.”
    Nachdenklich blickte Rand Grace hinterher, als sie Richtung Küche verschwand. Seitdem sie hier angekommen waren, benahm sie sich merkwürdig. Der seltsam sehnsüchtige Blick, mit dem sie das Haus betrachtet hatte, das Schimmern in ihren Augen beim Anblick der Zwillinge, all das war ihm nicht entgangen.
    Während er Lucas ins Wohnzimmer folgte, blickte er sich um. Buntes Spielzeug quoll aus einer Spielzeugkiste hervor, Hochzeitsbilder hingen an der Wand, zwei Wollknäuel lagen neben Stricknadeln und einer halb fertigen Babydecke auf dem Sofa. Dies war die Umgebung, in der die Kinder hier heranwuchsen. Ihn hatte man aus seiner vertrauten Umgebung mit neun Jahren herausgerissen. Was er heute sein Eigen nannte, passte in seinen Pick-up, der so etwas war wie ein Koffer auf Rädern, mit dem er ständig unterwegs war. Das war ein Leben, das er Grace nicht anbieten konnte. Ob er es einmal zu so einem Heim bringen würde – und ob er das überhaupt wollte –, stand in den Sternen.
    “Das hier habe ich in der Schachtel gefunden, in der meine Mutter ihre Erinnerungsfotos aufbewahrte”, erklärte Lucas und reichte Rand ein altes Polaroidfoto. “Ich dachte, das könnte dir gefallen.”
    Rand betrachtete das im Lauf der Jahre verblasste Foto, das an den Rändern schon vergilbt war. Auf den ersten Blick erkannte er seine Eltern, Jonathan und Norah Blackhawk, die freundlich in die Kamera lächelten. Seine ganze Familie war auf diesem Foto versammelt. Er selbst musste damals ungefähr sechs gewesen sein, Seth war demnach drei Jahre gewesen. Ihre Eltern saßen auf einem Krankenhausbett, Seth und er standen links und rechts daneben, und auf dem Arm ihrer Mutter lag ein winziges Wesen, das in eine Decke gewickelt war. Das musste Lizzie sein.
    Rand war es, als ob ein Metallband ihm die Brust einschnüre. Er konnte sich das Bild jetzt nicht länger ansehen. Er räusperte sich, steckte das Bild ein und bedankte sich bei Lucas.
    “Es ist wirklich ein Jammer, dass wir uns nicht schon damals kennengelernt haben”, bemerkte Lucas und fügte nach einer Pause hinzu: “Vielleicht wäre dann vieles anders gekommen.”
    Warum wussten sie damals eigentlich nichts voneinander? Was war mit Lucas’ Eltern geschehen? Konnte es sein, dass er etwas von Seth und Lizzie wusste? Fragen über Fragen, aber Rand wusste nicht, welche er seinem Cousin zuerst stellen sollte. Schließlich begann er mit der, die ihn beschäftigte, seitdem er in Henry Barnes Kanzlei gesessen hatte.
    “Warum machst du das alles, Lucas? Warum machst du dir nach all diesen Jahren die Mühe, mich und meine Geschwister wieder ausfindig zu machen und uns zusammenzubringen?”
    “Warum sollte ich nicht?”, fragte Lucas zurück. “Ihr seid eine Familie.”
    “Aber du kennst uns doch nicht einmal.”
    “Trotzdem, und auch wir beide gehören zur selben Familie, oder nicht?”, meinte Lucas ruhig. “Außerdem haben wir noch mehr gemeinsam. Auch ich habe meine Eltern früh verloren, meine Mutter, als ich elf war, und meinen Vater wenig später. Er starb im Gefängnis.”
    “Im Gefängnis?”
    Lucas seufzte. “Unser verehrter Onkel William, von dem du ja sicherlich auch schon gehört hast, hat auch in meinem Leben eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Er wäre der Einzige gewesen, der die falschen Anschuldigungen gegen meinen Vater hätte entkräften können. Aber er hielt es nicht einmal für nötig, sich auf die Anrufe meines Vaters hin zu melden. Letztlich war er es, der meinen Vater im Gefängnis verrecken und mich im Waisenheim aufwachsen ließ.”
    “Warum?”, fragte Rand. “Warum tut ein Mann so etwas – deinen Vater zu Grunde richten, deine und meine Kindheit zerstören? Unsere Geschichte kennst du inzwischen ja wohl. Wir alle waren doch auch seine Familie.”
    “Dafür gab es vermutlich zwei Gründe. Der erste war, dass seine beiden Brüder, dein Vater und meiner, eine Frau von außerhalb des
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