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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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Hand. Er hatte einen festen Händedruck. Ein wenig zu herzlich für meinen Geschmack.
    „Sie sind Amerikanerin?“, fragte Sam, und darüber kamen sie ins Gespräch. Gerne hätte ich genau das vermieden und unseren Weg fortgesetzt, aber zwischen den beiden Frauen und Bettys Trophäe gab es kein Vorwärtskommen für mich.
    Der Dunkelhaarige wippte frohgemut auf den Zehenspitzen auf und ab und musterte mich.
    „Nun? Auch das erste Mal auf dem Weg nach New York?“, erkundigte er sich.
    Ich nickte. „Geschäfte.“
    „Oh? In welcher Branche arbeiten Sie denn?“
    „Ingenieurswesen“, entgegnete ich lässig.
    „Davon müssen Sie mir unbedingt erzählen“, sagte er. „Sehen Sie, ich trage mich mit dem Gedanken, eine neue Laufbahn einzuschlagen.“
    „Was tun Sie denn bisher?“, erkundigte ich mich.
    „Import/Export“, feixte er. „Aber die Geschäfte laufen schlecht, und da fragte ich mich, ob das vielleicht einfach nicht das Richtige für mich ist.“
    „Wieso nicht“, meinte ich und zuckte die Achseln. „Wie ich immer zu sagen pflege: Wenn du eine Sache nicht verstehst, such dir eine andere. Es gibt genug.“
    „Weise Worte“, nickte Archie.
    „Also dann“, sagte ich und zog Sam bei der Hand. „Möglicherweise sehen wir uns ja alle einmal zum Kartenspiel? Es wird eine lange Überfahrt.“
    „Gerne“, sagte er und nahm seinerseits Bettys Hand. „Ich denke, ich habe ein Händchen fürs Glücksspiel.“
    „Wir werden sehen“, lachte ich. „ Welaan! “

    Der Clarence ratterte durch die Nacht. Ich hatte lange die Orientierung verloren, aber es machte mir nichts. Ich hatte auf eine geschlossene Kutsche bestanden, weil ich mich noch nicht bereit fühlte, der Stadt entgegenzutreten.
    Einige Tage war ich nur zu Hause geblieben. Ich hatte mich um Shah Jahan gekümmert, und manchmal war mein Blick auf das Cello in der Ecke gefallen, aber beide hatten mich nicht aus meiner Starre lösen können. Was ich brauchte, hatte ich mir bringen lassen. Irgendwann hatte Mrs. Lincoln vor der Tür gestanden und mir ausgerichtet, Lord Bailey mache sich Sorgen und wolle mich sehen. Ich hatte sie unverrichteter Dinge fortgeschickt, doch am nächsten Tag war sie wieder dagewesen. Diesmal hatte sie gesagt, Lord Bailey habe ein Picknick im Sinn, und ich hatte die Einladung ausgeschlagen und gesagt, ich fühle mich nicht wohl. Am dritten Abend hatte ich zugestimmt, unter der Bedingung, dass ich selbst bestimmen konnte, wohin es ging.
    Er war zu früh aufgetaucht und hatte geduldig gewartet, bis ich soweit war. Ich trug ein gewöhnliches dunkles Kleid und eine Haube und er entgegen seiner Art einen braunen Mantel über dem weißen Dreiteiler.
    Wir fielen kaum auf, als wir die Kutsche bestiegen.
    Ein Weilchen fuhren wir einfach durch die Gegend, denn eigentlich wusste ich nicht, wohin ich wollte. Natürlich hatte Bailey mehrere Vorschläge parat, und ich merkte, er wollte mir eine Freude machen. Aber mir stand der Sinn weder nach Musik noch nach all den Dioramen, Cycloramen und anderen Attraktionen des West Ends. So klapperten wir unverrichteter Dinge erst den Strand entlang und überquerten dann mehrfach die Themse. Den Hydepark und den Palast wollte ich nicht sehen.
    „Sie haben die richtige Entscheidung getroffen“, sagte er schließlich.
    Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die Lichter der Trinkhallen, lauschte auf die Musik und das Gelächter aus den Tanzsälen. Ich empfand nichts dabei. Es waren nur Laute, nur Lichter. Nichts von Bedeutung.
    „Ich weiß“, sagte ich. „Doch das macht es nicht leichter.“
    Er brummte: „Ich nehme an, die Welt stellt sich anders für Sie dar, seit Sie den Stein nicht mehr tragen.“
    Unwillkürlich fasste ich mir an den Hals, doch natürlich war da nichts. Der Shila lag in einem Schmuckkästchen, das ich unter dem Dach versteckt hatte. Ich wusste noch nicht, wie lange ich es ohne ihn aushalten würde, aber ich hatte mir eine Woche als Minimum gesetzt. Vielleicht einen Monat. Möglicherweise auch länger.
    „Wie steht es mit Ihnen?“, fragte ich und sah ihn an. Zu meiner Überraschung wich er meinem Blick aus und blickte aus dem Fenster. „Ab und zu braucht man eine andere Sicht auf die Dinge“, sagte er. „Das habe ich immer gesagt. Leider war Aaron nie dazu bereit.“
    „Wussten Sie, dass es so kommen würde?“, fragte ich. „War das Ihre Absicht?“
    Er schwieg eine Weile, und ich dachte, er würde mir nicht antworten und war kurz davor, die Kutsche zu verlassen und
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