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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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durchzuschlagen.
    Die Idee, einen Roman im viktorianischen England anzusiedeln, stammt ursprünglich von Matt. Matt hat früher Drehbücher geschrieben und kennt die geheimen Regeln, nach denen jeder erfolgreiche Film funktioniert und die Leuten wie mir nie auffallen. Von ihm stammt das dramaturgische Grundgerüst des Romans; eine Arbeit, die mich mit Grauen erfüllt hätte und die er, wie ich glaube, an einem einzigen Nachmittag erledigte. Warum er mir von der Idee erzählte, statt das Buch einfach selbst zu schreiben, weiß ich bis heute nicht.
    Er tat es aber, wir spannen herum, irgendwie kamen wir auf den Kristallpalast und die Great Exhibition , und wenn ich mich recht entsinne, fragte ich irgendwann: „Was, wenn dieses Riesending in Wahrheit gar kein Ausstellungsgebäude war? Du weißt schon, wie das Hochhaus in Ghostbusters ?“ Das war vermutlich, was man den zündenden Funken nennt.
    Ich hatte damals gerade meinen ersten Roman, Fairwater , veröffentlicht, und war erpicht darauf, einen zweiten nachzulegen, bevor mein Verlag zu lange darüber nachdenken konnte, was er da eigentlich tat. Außerdem hatten Matt und ich als Herausgeber schon ein erfolgreiches Projekt hinter uns und wussten, dass eine Zusammenarbeit funktioniert. Ich spreche natürlich von jener Kurzgeschichtensammlung des – keine falsche Bescheidenheit! – legendären Creative-Writing -Kurses, den Peter Bews seit vielen Jahren an der Heidelberger Uni hält. Darauf angesprochen, behauptet Peter meistens, sein eigener Beitrag beschränke sich auf das Reichen von Tee und Sherry, aber trotzdem oder gerade deswegen hat dieser Kurs einige der talentiertesten Autoren hervorgebracht, die ich kenne (wer braucht Schreibratgeber, wo es doch Sherry gibt?)
    Alex gehörte zum Urgestein dieses Kurses. Er hatte, als Matt und ich ihn kennenlernten, schon ein Rollenspiel im Selbstverlag vertrieben. Außerdem lag in seiner Schublade der beste unveröffentlichte Roman, den ich je gelesen habe (und liegt dort, wie ich annehme, noch heute). Während eines der berühmten Pub Crawls, die regelmäßig nach den Treffen stattfanden, kam Alex die Idee zu einem Multiautorenprojekt. Ich glaube, es ging ihm vor allem darum, mittels rollenspielerischer Kniffe den Handlungen von Romanhelden zu größerem Realismus zu verhelfen. Ich bin nicht sicher, ob Matt und ich je verstanden, was er eigentlich vorhatte, aber wir wussten, wir hatten unseren dritten Mann.
    Eines Abends in Matts Garten (wir hatten gegrillt und erfrischten uns mit im Goldfischteich gekühlten Bier) begann das Ganze, Gestalt anzunehmen: Wir wollten eine Urban Fantasy schreiben, sie sollte aber ohne „echte“ Magie auskommen. Sie sollte auch nicht in einer alternativen Zeitlinie spielen, sondern dem London, wie es tatsächlich war. Die einzige Ausnahme sollten die Artefakte zur Aktivierung des Palasts sein, die allesamt vor langer Zeit von einer unbekannten Macht an abgelegenen Winkeln der Welt deponiert worden waren.
    Noch am selben Abend entwarfen wir unsere Charaktere: Matt den selbstverliebten niederländischen Agenten Frans, ich die unnahbare Emma Peel des fernen Orients und Alex den letzten aufrechten Streiter der Krone, Sokrates Royle.
    Dann passierte, wie es so häufig der Fall ist, eine Weile lang einfach nichts.
    Matt machte seine letzten Prüfungen und bewarb sich um Promotionsstipendien; ich jonglierte mit meiner Dissertation und verschiedenen Projekten, die nach und nach vorgezogen wurden; und Alex, der das alles schon hinter sich hatte, ging auf Stellensuche. Irgendwie blieb Der Kristallpalast dabei auf der Strecke, und nur einem glücklichen Zusammentreffen naiven Ehrgeizes und einer größeren Anzahl von Caipirinhas am Rande der Frankfurter Buchmesse ist es zu verdanken, dass Der Kristallpalast nicht zu einem weiteren Schubladenprojekt unter vielen wurde.
    Es geht nichts über ein gehöriges Maß an Naivität und einen fröhlichen Verleger, um sich darüber klarzuwerden, was man eigentlich will.
    Was also wollten wir? Steampunk – das ist zumindest mein Blick auf die Dinge – ist der Versuch, die postmodernen Elemente, die mit dem Cyberpunk Einzug in die Science-Fiction hielten, in einen pseudo-historischen Kontext rückzuführen. Oft bedeutet dies eine Anreicherung dieses Kontexts mit anachronistischen und fantastischen Dreingaben. Diese waren für mich aber nie die zentralen Elemente des Genres, selbst wenn Frans’ technologische Spielereien oder Baileys Kristallauge eine gewisse Nähe
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