Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
Vom Netzwerk:
nach Hause zu laufen. „Es war meine Hoffnung“, entgegnete er dann. „Sie waren meine Hoffnung, Miss Niobe.“ Er warf mir einen kurzen Blick zu und lächelte.
    „Eigentlich“, dachte ich, „war es wie immer: Er schmeichelte mir oder tischte mir Lügen auf, und ich hatte keine Ahnung, was er im Schilde führte. Wenn das alles war, was Shilas und Kristalle uns gebracht hatten, kamen wir auch gut ohne sie aus.“
    „Wie lange leiden Sie schon unter dieser Vorstellung?“, erkundigte ich mich, und er lachte.
    „Länger, als Sie glauben. Leider nicht lange genug, um zu merken, wie tief ich mich in Aarons Krieg verstrickt hatte. Seinen Krieg und seine Regeln. Die Eide, die man seiner Loge leistet, sind schwer zu brechen, wissen Sie.“
    „Deshalb brauchten Sie mich“, sagte ich. „Eine Außenseiterin.“
    „Sie waren die Einzige, die ich kannte, die zwei wichtige Eigenschaften mit sich brachte: Sie trugen ein Talent und waren daher in der Lage, das Potential des Palasts zu erkennen und einzusetzen, und Sie waren nicht völlig übergeschnappt.“
    „Nicht völlig“, schmunzelte ich. „Aber fast.“
    Bailey überging die Bemerkung und klopfte dem Kutscher, er solle anhalten. Das Klappern der Hufe verebbte, und wir kamen zum Stehen.
    „Es tut mir leid wegen Aaron“, sagte ich, auch wenn es nicht stimmte. „Was wird nun aus der Loge?“
    „Die Götter versuchten, die Titanen zu stürzen“, sagte Bailey, „und sind dabei selbst gefallen. So was kommt vor.“
    „Sie saßen alle ...?“, begann ich, doch er hob die Hand und öffnete mit der anderen die Tür. „Erwähnen Sie diesen Teufelszug bitte nie wieder. Aber ja, nur ich bin übrig – Aurvandils Zeh kam wieder einmal ungeschoren davon. Wenn Sie eine Idee haben, was ich einem Haufen ahnungsloser Akolythen erzählen kann, lassen Sie es mich bitte wissen. Nun aber raus mit Ihnen.“
    „Wo sind wir?“, fragte ich vorsichtig.
    „Vauxhall Gardens“, entgegnete er. „Keine Sorge, wir mischen uns nicht unters gemeine Volk. Ich möchte nur, dass Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten – wenn das Ihren Ansprüchen genügt.“
    Ich nickte und rutschte zur Tür. Er half mir auszusteigen, dann drückte er dem Kutscher ein Bündel Geldscheine in die Hand und schickte den Mann fort.
    Wir standen mitsamt der Kutsche am Straßenrand, irgendwo in Kennington.
    Überrascht sah ich, wie Bailey auf den Kutschbock kletterte und mir die Hand reichte. „Kommen Sie.“
    Ich nahm seine Hand, packte meinen Rock mit der anderen und stieg zu ihm hoch.
    Da saßen wir dann und sahen zu den hohen Bäumen und den Lichtern und Kolonnaden und exotischen Bauwerken des Parks hinüber. Es herrschte reger Betrieb im Park, aber auf der Straße war wenig los. Bailey begann, sich eine Pfeife zu stopfen.
    „Hat Aaron auch den Palast geplant?“, fragte ich ihn.
    „Nein“, sagte er. „Aaron glaubte lange, ein Meisterstein reiche, um das Werk zu vollenden. Als er erkannte, dass er sich geirrt hatte, war es zu spät, das Ruder zu ergreifen. Ihm blieb nur der Versuch, sich sein Stück vom großen Verschwörungskuchen abzuschneiden.“
    „Es ist ihm nicht bekommen“, versuchte ich einen Scherz zu machen. Es war kühl auf dem Kutschbock, und ich schlang die Arme um mich. „Sagen Sie, worauf warten wir eigentlich?“
    „Geduld“, sagte er und klopfte auf den Kutschbock. „Ist das nicht ein schönes Stück?“ Dann zog er den Mantel aus und legte ihn mir um. Da ich noch nie eine Kutsche gelenkt hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten.
    „Dann also die Cricketspieler?“, fragte ich.
    Bailey nickte und hielt ein Streichholz an seine Pfeife. „Höchstwahrscheinlich“, murmelte er, während er paffte. „Sie hatten als einzige die Ressourcen, das Wissen und vor allem auch die nötigen Kontakte.“
    „Was war mit der Kommission?“
    „Nun“, sagte er und stieß eine duftende Wolke Pfeifenrauchs aus, „ich bin nicht sicher, wie viel die Herrschaften im Einzelnen tatsächlich wussten oder was sie da eigentlich zu tun glaubten. Aber es gibt diese wundervolle Redewendung, die auf Mr. Paxton, wie ich denke, zutrifft: He builded wiser than he knew.“
    Ich nickte und dachte nach. Langsam fand ich wieder zu mir. Nachdem ich tagelang weite Plätze und offenen Himmel gemieden hatte und kein Tag vergangen war, an dem ich nicht den Wunsch verspürte hätte, zu schreien oder zu weinen, obgleich ich ganz genau wusste, dass nichts davon es jemals besser machen würde, tat es mir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher