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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz
Autoren: Merciel Liane
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größten Poeten seines Zeitalters. Kein Eichenharner hat ihm auch nur annähernd das Wasser reichen können, wie ich zu meinem Bedauern sagen muss. Aber ich bin hergekommen, um über Straßen zu sprechen, nicht über Verse. Welche hat dich hierhergeführt?«
    »Ich komme aus Weidenfeld, Mylord.«
    »Das Leben meines Bruders hat dort ein Ende gefunden.« Leferic sagte es beiläufig und betonte die Tatsache nicht sonderlich, aber er beobachtete ihre Reaktion genau.
    »Ich weiß.« Ihr Blick flackerte zu ihm empor und wieder hinunter zum Gesicht des Babys. »Euer Verlust tut mir leid.«
    »Am Ende sterben wir alle. Was zählt, ist, was wir zuvor mit unserem Leben tun. Galefrid starb jung, das ist wahr, aber er hinterließ das wichtigste Vermächtnis.« Leferic hielt inne, denn er wollte, dass sie die volle Bedeutung seiner Worte erfasste. »Er hinterließ ein Kind.«
    Das Mädchen nickte. Sie hielt den Kopf gesenkt und die Schultern gewölbt; sie sah aus wie eine Dienerin, die sich vor Schlägen fürchtete. Dann zog sie das Baby fester an die Brust und beschirmte es mit ihrem Körper. Leferic begriff mit einem Anflug von beklommener Überraschung, dass das Mädchen weinte. Das Schluchzen war beinahe lautlos, aber das abgerissene Atmen verriet es dennoch.
    Er hatte nicht erwartet, dass ihr das Schicksal des Kindes einer Fremden so nahegehen würde. Noch hatte er erwartet, dass seine Gedanken für sie so klar sein würden. Wenn sie bereits wusste, was er vorhatte, dann durften weder sie noch Wistan weiterleben. Bedauerlich, aber nicht zu ändern.
    Beinahe ungewollt wurde Leferics Stimme sanfter, als er die letzte, schicksalhafte Frage stellte: »Und du hast dieses Kind gerettet, nicht wahr? Du hast Wistan hierhergebracht.«
    Das Mädchen schüttelte stumm den Kopf. Sie hob das Gesicht, das rot und glänzend war von Tränen, und in ihren großen, braunen Augen standen lediglich Qual und Scham. »Nein.«
    Er musste sich verhört haben. »Was?«
    Gelächter ertönte als Antwort. Es war ein trostloser, schrecklicher Laut, das Lachen eines Verbrechers, den man vom Galgen befreit hatte, nur um ihn zu den Dornen zu schicken. Es kam nicht von dem Mädchen.
    Brys Tarnell war erwacht. Und lachte. Der Söldner richtete sich von seinem Kissen auf, das Gesicht bleich wie der Tod, aber seine grünen Augen loderten hell. Schließlich schwand seine düstere Heiterkeit, und er sah Leferic mit einem wölfischen Grinsen an, das kaum mehr war als das Blecken der Zähne. »Sie lügt nicht. Obwohl sie es tun sollte, wenn sie auch nur halb so viel Verstand hätte, wie die Götter den Rüben geschenkt haben.«
    Leferic schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht.«
    »Es tut mir leid.« Tränen strömten ungehindert über die Wangen des Mädchens, tropften ihr vom Kinn und verschwanden in ihrer Bluse. Das Baby erwachte wimmernd, als ihre Tränen auf seine Decken fielen. »Ich habe es versucht – ich habe es so sehr versucht«, flüsterte sie. »Aber er ist gestorben. Es ist meine Schuld, ich hätte mehr tun sollen. Es tut mir so leid.«
    »Aber du hältst ihn in den Armen«, sagte Leferic verständnislos.
    »Nein. Wir wollten … Ich hätte Euch sagen sollen, dass dies Wistan ist, damit Ihr ihn wie Euer eigenes Kind großzieht, aber ich kann Euch nicht belügen, Mylord. Es tut mir leid. Ich kann nicht. Dies ist mein Sohn. Aubry.« Sie wischte sich die Augen ab und hielt den Blick von Brys abgewandt. Leferic reichte ihr ein Tuch aus einem Korb auf dem Regal, und sie putzte sich lautstark die Nase. Es schien sie ein wenig zu beruhigen, und sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Danke.«
    Er tat ihren Dank mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Fang noch einmal von vorn an. Was ist Wistan zugestoßen?«
    Das Mädchen tupfte sich abwechselnd Augen und Nase ab. »Er war – ich glaube, er war in Weidenfeld verletzt worden, ich weiß nicht wie, aber er war schwach, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe. Wir sind nach Tarnebrück gegangen, in der Hoffnung, die Gesegnete zu finden, aber sie war fort. Ich hätte auf ihre Rückkehr warten sollen, wirklich, aber …«
    »Aber was?«
    »Aber er war so schwach, und … und da war ein toter Mann.« Ihr Blick zuckte nach oben zu seinen Augen und wieder weg; sie unternahm einen beklommenen Versuch zu lachen, doch das Lachen kam als ein Schluchzen heraus. »Ich weiß, wie lächerlich das klingt. Ich weiß es wirklich. Aber es ist wahr.«
    »Es ist wahr«, sagte Brys entschieden. »Dieselbe
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