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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz
Autoren: Merciel Liane
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in die Hände sinken und hoffte vergebens, dass er sich das Geräusch in seiner Trauer und Erschöpfung nur eingebildet hatte.
    Solches Glück war ihm nicht beschieden. Ein weiteres Mal ertönte das Klopfen, diesmal lauter. Leferic ließ die Stirn auf die Tischplatte fallen. Das raue Holz war so willkommen wie ein Kissen. »Lasst mich in Ruhe.«
    »Das wäre vielleicht unklug.« Cadarns Stimme war gedämpft, aber grimmig.
    »Warum? Verlangt der Herold eine Audienz? Er sagte, er sei noch nicht bereit …«
    »Nein. Ulvrar hat auf der Straße einige Reisende entdeckt. Schwer verletzt, aber am Leben. Andalaya kümmert sich jetzt um sie. Sie sagt, sie werden es schaffen.«
    »Banditen?« Leferic zwang sich, vom Stuhl aufzustehen und zur Tür zu gehen, um Cadarn einlassen. Zwar sah er niemanden im Flur, der lauschte, aber dies war kein Gespräch, das lautstark durch drei Zoll dickes Holz geführt werden sollte.
    Der Verbannte schüttelte den zotteligen, blonden Kopf. »Ghaole, hat Andalaya sie genannt. Leichname von Männern, die durch abscheuliche Magie zu Ungeheuern gemacht wurden. Sie sagte, sie seien das Werk von Dornen.«
    Leferic sank kraftlos auf seinen Stuhl. Mit dem Ellbogen stieß er gegen einen Stapel Papiere, und sie fielen zu Boden. »Wen haben sie angegriffen?«
    »Ein Mädchen, einen Ritter und ein Baby. Andalaya sagte, der Ritter stamme aus Bullenmark.« Cadarns blaue Augen waren ruhig und abschätzend. Keine Anklage war darin zu erkennen, noch nicht. Leferic fragte sich, ob der Skar Skraeli die Gerüchte von Albrics Verrat gehört hatte.
    »Können sie uns sagen, was geschehen ist?«
    »Noch nicht. Andalaya meinte, das Mädchen werde bis Sonnenuntergang vielleicht aufwachen. Sie ist nicht so schwer verletzt wie der Ritter.«
    »Das Baby?«
    »Friert. Hat Hunger. Ist unverletzt. Die beiden anderen haben hart darum gekämpft, dass es so kam.«
    »Wo sind sie untergebracht?«
    »In den Krankenzimmern. Für den Augenblick.«
    »Sorgt dafür, dass sie Gästequartiere bekommen, wenn es ihnen gut genug geht, dass sie umziehen können. Bis dahin stellt eine Wache vor die Krankenzimmer. Nur Eure Männer oder solche, die Ihr gut genug kennt, dass Ihr ihnen vertraut.« Leferic hoffte, dass die Nordländer es selbst übernehmen würden, aber er hielt es für das Beste, ihnen ein wenig Spielraum zu geben. Cadarn benutzte den Titel der Gesegneten Andalaya ebenso wenig wie seine Männer, und alle schienen sich in ihrer Gegenwart unwohl zu fühlen. »Ich will nicht, dass ihnen etwas Unerwünschtes zustößt.«
    Cadarn legte die Stirn in Falten. »Ihr glaubt, sie wären in Gefahr?«
    »Ich würde dieses Risiko lieber nicht eingehen. Wenn eine Dorne Ungeheuer ausgeschickt hat, um sie anzugreifen, wer weiß? Wir sollten besser sichergehen. Ihr sagt, das Mädchen wird beim Anbruch der Nacht erwacht sein?«
    »Das hat Andalaya gesagt. Beim Anbruch der Nacht.«
    Bei Sonnenuntergang war Leferic in den weiß getünchten Krankenzimmern. Auf der südwestlichen Seite der Burg gab es drei solche Räume, zwischen der Kapelle und den Küchen. In Friedenszeiten wurden zwei von ihnen genutzt, um darin Mehl, geräuchertes Fleisch und andere Nahrungsmittel zu lagern, aber ein Raum wartete immer auf Verletzte. An den Ufern des Seivern war der Friede niemals sicher.
    Bei Leferics Ankunft räumte die Gesegnete Andalaya gerade auf und machte sich bereit, ihre Schützlinge für die Nacht zu verlassen. Sie war eine ziemlich kleine Frau, deren Haar in ihrem sechzehnten Jahr zu ergrauen begonnen hatte; mit vierzig hatte sie ein rundes, jugendliches Gesicht unter einem schneeweißen Zopf. Die Gesegnete tätschelte Leferic die Schulter, als sie durch die Tür trat, wobei ihre sonnengelben Roben raschelten.
    »Geht vorsichtig mit ihnen um«, sagte sie. Es war keine Bitte. »Sie haben sieben Höllen durchwandert, um hierherzukommen.«
    Leferic neigte den Kopf und schloss die Tür hinter der Gesegneten.
    Glaslampen, die an Haken von den Wänden hingen, spendeten ein warmes, goldenes Licht und erfüllten das Krankenzimmer mit dem Duft von Vanille und Nelken. Die Gesegnete untersagte Fackeln in ihren Krankenzimmern; sie sagte, deren Rauch verderbe die Luft, und sie bestand darauf, dass die Räume von Laternen erhellt wurden, in denen sie selbst gemischte, duftende Öle verbrannte. Die Aromen sollten die Träume der Verwundeten erleichtern oder etwas in der Art.
    Ihre gegenwärtigen Gäste schien der Duft nicht zu beruhigen. Gewiss schlief der große
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