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Der kranke Gesunde

Der kranke Gesunde

Titel: Der kranke Gesunde
Autoren: Andreas von Pein , Hans Lieb
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hilfreich für Sie oder erzeugt er ein weiteres Problem? Unterstreicht er die Gefährlichkeit oder betont er das Gesunde? Welche anderen Bezeichnungen wären möglich? Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Vielleicht finden Sie sogar Gefallen an der »Wortklauberei«? Wenn Sie eine oder mehrere Bezeichnungen gefunden haben, die den Blick aufs Positive lenken, probieren Sie in nächster Zeit aus, wie es sich anfühlt, diese neuen Namen zu verwenden.
Dem Symptom eine neue Bedeutung geben
    Zunächst ein kleines Beispiel: Ein Mann verbringt viele Stunden in seinem Hobbyraum. Darüber ärgert sich seine Frau. Sie findet, er ziehe sich ständig zurück, widme sich mehr seinem Hobby als ihr und vernachlässige so die Beziehung. Sie bewertet sein Verhalten negativ; für sie bedeutet das »aus der Beziehung gehen«. Eines Tages entdeckt sie per Zufall, was er dort treibt: Erbastelt mit filigraner Präzision ein reizendes Schmuckkästchen zusammen. Es ist kurz vor Weihnachten. Es ist für sie! Das gleiche Verhalten hat von jetzt an eine positive Bedeutung. Nun bedeutet es, dass er etwas für sie und ihre Beziehung tut. Mit seinem Rückzug ist sie jetzt hundert Prozent einverstanden. So finden viele heilsame Veränderungen nicht »in der Realität« selbst, sondern »in unseren Köpfen« dadurch statt, dass unsere Psyche Dingen eine andere Bedeutung gibt.
Name, Bedeutung und Bewertung hängen eng zusammen
    Wenn somatische Vorgänge für uns bedeuten, dass sie Zeichen einer bedrohlichen körperlichen Krankheit oder psychischen Krankheit sind, werden wir uns ängstigen oder schämen. Wir können dem auch eine ganz andere Bedeutung geben: Als zwar unangenehme, aber erträgliche und zum Leben gehörende »Malaise«: als zwar von der Psyche unangenehm erlebtes, ansonsten aber harmloses und normales Körpergeschehen. Oder sogar als Ausdruck einer dem Körper innewohnenden Kraft und Stärke. Jede Bewertung des Körpers, die die Psyche vornimmt, hat eine ganz spezifische Wirkung auf den Körper und dann auch rückwirkend wieder auf die Psyche selbst. Im einen Fall ist die Bewertung negativ, weil Krankheit bedeutet, dass man in Leistung, Aktivität und Lebensgenuss eingeschränkt ist und das oft mit ungewisser Zukunft. Im anderen Falle ist die Bewertung neutral bis positiv, weil man dem somatischen Vorgang die Bedeutung gibt, dass es sich um eine befristete Malaise handelt oder dass sich alles »im grünen Bereich« befindet oder sogar, dass der Körper gerade wegen des Symptoms erkenntlich gesund und kräftig ist. Diese Bewertung nimmt zum einen die Psyche selbst (und nicht das Soma!) vor. Sie erhält dafür zum anderen immer Bewertungsvorschläge oder gar vorschriften aus der sozialen Welt: als Kind von den Eltern, später aus den Medien und zuletzt von den Experten (Ärzten usw.). Wichtig ist, dass solche Bedeutungen und Bewertungen nicht irgendwie im Körper selbst »drin stecken«, sondern ihm von Patienten und Experten »zugesprochen« werden. Das einzusehen ist schwer, wenn man glaubt, wir könnten alles objektiv und klar erkennen. Das einzusehen eröffnet aber auch ein großes Tor zur psychosomatischen Heilung.
»Neubewertung« war für Martin eine heilsame Strategie
    Martin: »Ich dachte immer, Therapie heißt ändern! – Entweder sollte ich alles ändern oder mein Körper muss sich ändern oder ein anderer werden. So, als müsste man in Körper und Seele ein anderer Mensch werden, weil der bisherige schlecht oder unfähig war! Deshalb hat es mir unendlich gut getan, in der Therapie zu erfahren, dass ich ›in Leib und Seele‹ zuerst einmal o. k. bin. Und dass ich auf diesem o. k. aufbauen kann. Mir wurde klar, dass in meinen Ängsten um mein Herz auch eine Stärke von mir verborgen lag. Die Angst zu sterben hatte ja bedeutet, dass ich ein gutes Verantwortungsgefühl für meine Familie habe! Ich hatte ja Angst, sie alleine zu lassen. Das Herzrasen habe ich als Ausdruck meiner Leistungsfähigkeit verstehen gelernt. So ging es mir mit vielen meiner ›Schwächen‹. Jetzt weiß ich, dass letztlich in jeder Schwäche eine Stärke liegt! Es ist allein eine Frage der Sichtweise und der Bewertung!«
    ÜBUNG
    Symptome positiv bewerten
    Wie kommt man solchen heilsamen neuen Bedeutungen und Bewertungen auf die Spur? Indem man von den alten negativen Bedeutungen und Bewertungen selbst ausgeht! Und diese liegen ja in der Psyche vor. Stellen Sie sich also zunächst die Frage: Was bedeuten mir meine Symptome bisher? Wie habe ich sie
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