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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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waren sehr, sehr anstrengend. Jetzt auch noch dieses Verhör hier. Daher verzeihen Sie mir bitte, wenn ich Sie ganz direkt frage: Haben Sie Erwin Machallik vergiftet?»
    Frau Matthes’ Blick signalisierte dem Kommissar, dass weder er noch sonst irgendjemand ihr etwas anhaben konnte. «Erstens: Man merkt auch ohne Ihren Hinweis, dass Sie eine sehr anstrengende Zeit hatten. Man riecht es sozusagen. Ich würde Ihnen dringend raten, bald die Wäsche zu wechseln, vielleicht sogar zu duschen, vor allem aber die Zähne zu putzen. Sie sind Hauptkommissar und repräsentieren auch irgendwie die Stadt Berlin. Ihr Auftreten ist nicht angemessen. Und zweitens: Ja, natürlich habe ich Erwin Machallik vergiftet, aber es ist nicht so, wie Sie denken.»
    Mit einem Nicken bedankte sich Lanner höflich und fragte: «Wie ist es denn dann?»
    Regelrecht trotzig machte sich Claire Matthes noch etwas gerader, als sie ohnehin schon stand. «Erwin hat mich darum gebeten. Es war sein letzter Wunsch.»
    «Sie meinen, es war Beihilfe zum Selbstmord?»
    «Wenn Sie so wollen.»
    «Warum hätte sich Erwin Machallik umbringen wollen?»
    Schweigend ging die Chefsekretärin zum Regal und nahm die große, in Schweinsleder gebundene Ausgabe von Thomas Manns «Zauberberg» heraus. «Er hat das immer für den sichersten Tresor gehalten. Meinte, hier drin wären die Sachen besser bewacht als hinter jedem Stahlschloss, hier würde nie jemand reingucken. Stimmte ja auch. Überall haben seine Söhne gesucht. Nur nicht im ‹Zauberberg›. Dabei kann man da so viel drin finden.» Sie klappte ihn auf. Das Innere der Seiten war sorgsam herausgeschnitten, sodass das Buch eine Art Schachtel war. Frau Matthes entnahm ihr einen Umschlag und gab ihn Carola Markowitz. Mit einer Geste bedeutete sie der Polizistin, ihn zu öffnen. Dann drehte sie sich zu Hauptkommissar Lanner: «Erwin war krank. Schwer krank.»
    «Was hatte er denn?»
    «Hier steht, er war dement.» Markowitz hatte einen ärztlichen Befund hervorgezogen und mit einem Blick überflogen. «Schnell fortschreitend. Er war wohl kurz vor dem zweiten Stadium, hätte wahrscheinlich schon in ein paar Monaten das dritte erreicht. Dann wäre sein Kontrollverlust unübersehbar geworden. Die Drogen, der viele Alkohol, das hat wohl sein Hirn angegriffen.»
    Claire Matthes drückte den «Zauberberg» fest an ihre Brust. «Auch mit Medikamenten wäre dann nichts mehr zu machen gewesen. Er hätte es nicht ertragen können, wenn man ihn so erlebt hätte. Er, der König von Berlin, plötzlich so hilflos, so klein. So wollte er nicht in Erinnerung bleiben. Da war es ihm lieber zu gehen.»
    Lanner schaute zu Kolbe. «Hat man denn bei der Obduktion nichts davon gemerkt?» Der Spurensicherer zuckte die Schultern. «Danach wurde ja nicht gesucht. Außerdem war die Krankheit ja wohl noch im Anfangsstadium.»
    Markowitz bemühte sich, den ärztlichen Befund zu entziffern. «Wie heißt denn sein Arzt? Das ist ja kaum zu …»
    «Herr Professor Sung-Kim.» Frau Matthes schmunzelte. «Ein Spezialist aus Südkorea. Hat er extra einfliegen lassen. Er traute hier niemandem über den Weg, und als er die erste Verdachtsdiagnose erhielt, hat er gleich den Arzt gewechselt und sich eine Koryphäe aus Korea empfehlen lassen. Keine Sorge, die Ärzte dort sind exzellent. Sung-Kim hat die Sache bestätigt. Der Befund ist tipptopp.»
    «Und warum haben Sie das dann nicht früher erzählt?», fragte Rimschow misstrauisch. «Warum haben Sie diese Mordermittlungen und all die Verdächtigungen und kleinen Dramen stillschweigend mitangesehen, obwohl Sie die ganze Zeit die Wahrheit wussten?»
    Claire Matthes gab ein kleines, verdruckstes Brummen von sich. «Aber genau das hat Erwin doch gewollt. Das war sein Plan, sein letzter Wunsch. Er wollte seinen Tod nutzen, um ein paar Dinge in Gang zu bringen. Das hier war sein Lebenswerk. Die Firma. Seinen Söhnen hat er das Geschäft aber nicht zugetraut. Das war nicht böse gemeint, ihm war einfach klar, die beiden würden hier nicht glücklich werden, und ich denke, da hatte er auch recht. Aber er wollte sie nicht einfach rauswerfen, aus Respekt und Liebe. Sie sollten selbst die Initiative ergreifen. Deshalb hat er sie immer schlimmer gedemütigt, damit sie entweder abhauen oder ihn umbringen. Eins von beidem, das war ihm egal, Hauptsache, die Jungs machen überhaupt irgendwas, nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Das war ihm wichtig. Wichtig für die Jungs! Als seinen Nachfolger hatte er schon
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