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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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Status und seinen Karrierechancen war, als geheimnisvolles osteuropäisches Ungezieferbekämpfungsgenie mit apartem Akzent und karger Syntax aufzutreten. Ein unsicherer Ex-Student, der sich mit perfektem Deutsch und gewählter Ausdrucksweise anzubiedern versuchte, hätte davon nur träumen können. Er sprach nur das Allernötigste, unbeholfen und gebrochen, zugleich aber würdevoll und mysteriös. Georg bewunderte seinen polnischen Kammerjägerlehrmeister dafür, wie er nach Belieben zwischen den Sprachcodes hin- und herzuschalten vermochte. Wenn sie zu zweit im Wagen oder im Büro saßen, redete Toni normal und fließend. Nur im Kundengespräch nutzte er seine osteuropäische Kunstsprache mitsamt dem binären Gut-Nicht-gut-System, ergänzt durch das raffinierte «Ist egal».
    Lucys Mutter hatte sich mittlerweile wieder gefangen. Weniger wütend war sie deshalb aber noch lange nicht. Nachdem sie ihre Tochter hoch in die Wohnung geschickt hatte, fuhr sie Toni an: «Die Ratte ist vergiftet worden? Was wollen Sie eigentlich damit sagen? Heißt das, irgendjemand hat in unserem Innenhof einfach mal Gift ausgelegt?»
    Georg versuchte, sie zu beruhigen. «Das muss nicht hier im Hof gewesen sein. Das kann auch von einem Hof zwei, drei, vier, fünf Häuser weiter kommen. Wahrscheinlich haben die Ratten ein unterirdisches Tunnelsystem angelegt, das mehrere Höfe miteinander verbindet.»
    «Unterirdisches Tunnelsystem? Na großartig! Und was macht das für einen Unterschied? Hier spielen überall Kinder. In allen Höfen! Da kann man doch nicht einfach ein paar Kilo Gift verteilen! Hallo? Geht’s noch?»
    Die Frau hatte sich jetzt ordentlich in Rage geredet. Georg hätte ihr gern gesagt, wie unerhört attraktiv er sie in ihrer Wut fand. Die aufgerissenen Augen, die Zornesröte, dazu die roten gelockten Haare, der zierliche, aber vor Energie nur so strotzende Körper, das gefiel ihm schon sehr. Dennoch entschied er sich für eine professionelle Antwort. «Die Leute sind verunsichert. Die vielen Ratten in diesem Jahr, an allen Ecken kommen sie an die Oberfläche. Da bleibt es nicht aus, dass der ein oder andere in Panik gerät und unüberlegte, dumme Sachen macht.»
    «Ja, aber das kann es ja wohl nicht sein: in der ganzen Stadt Gift auszukippen!»
    Nun mischte sich auch Toni ein. «Natürlich nicht. Wenn hier jeder Amateur verstreut Gift, wie und wo er will, ist nicht gut.»
    Lucys Mutter riss theatralisch die Hände in die Luft und ließ sie dann auf ihre Oberschenkel klatschen. Zu Georgs Freude schienen nun auch ihre Ohren vor Wut zu glühen.
    «Natürlich», sie blies Toni die Worte ins Gesicht, «natürlich ist das nicht gut für Sie, wenn hier Amateure Gift streuen! Schließlich wollen Sie das ja tun! Sie, die Profis! Und sich das teuer bezahlen lassen!»
    Toni schaute sie ernst an. «Wir tun, was wir tun müssen. Seriös. Professionell. Verantwortungsbewusst. Steht so auch auf Homepage: www.die-anderen-haustiere.de. Bezahlen muss sowieso Hausverwaltung. Dürfen die gar nicht ablehnen. Aber wenn Sie nicht wollen Gift, wir können die Ratten auch bekämpfen biologisch, ganz natürlich, ist gut.»
    «Was?» Man konnte die Verblüffung seiner Kontrahentin nicht überhören. Damit hatte Toni sie offensichtlich aus dem Tritt gebracht. «Ganz natürlich? Ich meine, biologisch? Das können Sie wirklich? Ohne Gift?»
    «Ja, ist zwar etwas teurer, aber ist möglich. Ganz biologisch, ohne Gift. Ist egal.»
    «Ach so», die Stimme von Lucys Mutter beruhigte sich, die Gesichtsmuskeln steuerten fast schon auf ein Lächeln zu, «entschuldigen Sie, das wusste ich nicht. Und das funktioniert bestimmt? Also, die Ratten werden sicher verschwinden?»
    «Garantiert. Ist gut, bisschen teurer, aber gut.»
    «Ach, ich denke, das wird die Verwaltung schon zahlen, bei den ganzen Kindern hier. Das müssen die doch auch einsehen. Wie genau funktioniert diese biologische Bekämpfung denn?»
    Tonis Miene wurde noch ernster. «Mit Schlangen.»
    «Was?»
    «Schlangen. Wir setzen hier fünfzehn bis zwanzig Schlangen aus, die fressen Ratten. Dann ist gut.»
    «Ach. Und was wird dann mit den Schlangen?»
    «Krokodile. Beste biologische Bekämpfung von Schlangen sind Krokodile, aber dafür müssten wir dann hier in den Hinterhöfen anlegen Sumpf. Würde vermutlich teuer. Muss man sehen, was sagt Hausverwaltung. Ist egal.»
    Mit Freude registrierte Georg, wie die Zornesröte ins Gesicht von Lucys Mutter zurückkehrte. Eigentlich hatte er diese Aushilfsstelle
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