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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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Oberschenkel klatschen ließ! Fast, als versuche sie zu fliegen, doch sie hob nicht ab, sondern stampfte, bebend vor Zorn, mit ihren Flipflops durch den Innenhof, stieß dazu unverständliche Wort- und Satzfetzen aus, wie: «Ohhrr! Nääähhh! Glaubsjanich! Weheeinerlacht! Näärrhh!», bis sie plötzlich im Erdboden versank. Ein letzter, ungewöhnlich lauter Schrei, dann war Stille.
    Toni, der das Schauspiel ungerührt verfolgt hatte, fand als Erster seine Sprache wieder. Betont sachlich wandte er sich an Georg: «Frau Kreutzer hat entdeckt Tunnelsystem von Ratten. Spart uns Arbeit, ist gut. Aber jetzt Ratten sind gewarnt. Ist egal.»
    Die Entdeckerin des Tunnelsystems fand ihre Lage allerdings alles andere als gut. Bis zur Hüfte steckte sie im Boden, zappelte und schimpfte und versuchte, so schnell wie möglich aus dem Rattentunnel herauszukommen. Georg begriff, wie günstig die Gelegenheit war, unauffällig Körperkontakt herzustellen und ein paar Heldenpunkte zu sammeln, rannte zu der erregten Frau und zog sie aus dem Rattenloch. Nur ihre Flipflops blieben im Erdreich gefangen.
    Lucy, die alles aus der Wohnung im zweiten Stock verfolgt hatte, riss das Fenster auf und brüllte nach ihrer Mutter. Diese wiederum sprach hektisch, aber auch viel leiser, als Georg erwartet hatte: «Da war was da unten. Irgendwas war da. Ich hab’s genau gespürt, da war was an meinem Fuß. Da war was!»
    Dann schrie sie zu ihrer Tochter hinauf, sie solle aufhören zu schreien. Woraufhin die Tochter schrie, sie schreie gar nicht, die Mutter schreie und solle mal damit aufhören, was wiederum die Mutter veranlasste, der Tochter zuzuschreien, sie, die Tochter, würde sehr wohl schreien, was diese natürlich schreiend bestritt.
    Toni verfolgte interessiert dieses wie geprobt wirkende Zwiegespräch und überlegte, ob er nicht auch eine Familie gründen solle, bis ihn Georg, der nach den Flipflops grub, zu sich herüberwinkte.
    «Schau dir das hier mal an. Da ist tatsächlich was.»
    Beim Näherkommen roch Toni, dass es etwas sehr viel Größeres als eine verwesende Ratte sein musste. Ein Flipflop steckte in einem blauen Müllbeutel, den Frau Kreutzer mit ihrem Gestrampel aufgerissen hatte. Georg öffnete den Müllbeutel noch weiter. Was Toni wegen des Geruchs schon vermutet hatte, wurde nun zur Gewissheit. Kurz und präzise fasste er die Situation zusammen: «Nicht gut.»

E s standen bereits reichlich Polizeiwagen vor dem Haus, als Hauptkommissar Carsten Lanner in der Tempelherrenstraße in Kreuzberg eintraf. Hier war es immer schwer, einen Parkplatz zu bekommen, aber jetzt war selbst der Bürgersteig vollgeparkt. Lanner stellte den Wagen am Landwehrkanal ab und lief einige hundert Meter zurück. Auf die zwei Minuten kam es auch nicht mehr an. Außerdem taten ihm die paar Schritte sicher gut. Er hatte wieder ein wenig zugenommen, sodass sein natürliches Hosenbundwohlfühlgefühl nun genau in der Mitte zweier Gürtellöcher lag und er sich jeden Morgen zwischen bequem und ambitioniert entscheiden musste. Wenn er nur noch das bequeme Gürtelloch benutzte, würden Maßnahmen erforderlich werden. Lebensqualität verringernde Maßnahmen, denn dieses Gürtelloch markierte die Grenze zwischen sportlich und vollschlank. Und er hoffte sehr, noch eine Weile sportlich auszusehen, ohne dafür Sport treiben zu müssen.
    «Na, guck mal einer an! Unser Dorfsheriff ist ja auch schon da.»
    Der kleine dreieckige Mann mit dem großen roten, kurzgeschorenen runden Kopf gackerte vor sich hin. Lanner stöhnte leise. Manfred Kolbe von der Spurensicherung erwartete ihn bereits vor dem Haus. Wenn er denn irgendeine Art von Autorität besessen hätte, Kolbe hätte sie mit Freude untergraben.
    «Was hat denn wieder so lange gedauert? Kühe auf der Straße?»
    «Nein, Ochsen! Also, genau genommen nur einer, und der versperrt mir erst jetzt den Weg.»
    Kolbe brauchte ungefähr eine halbe Sekunde, dann sprang er richtig an. «Boaaarrhh, der war gut. Aber richtig gut. Ich hab’s ja immer gesagt. Aus dem Dorfsheriff wird noch was. Hab ich immer gesagt. Manch anderer meinte, der packt das nicht. Also Berlin, das packt der nicht. Ich nenne keine Namen, aber da sind schon einige, die das denken. Doch ich hab immer gesagt, lasst den mal, der hat’s faustdick hinter den Ohren, der Dorfsheriff. Das hab ich gesagt.»
    Es war ein drolliges Bild. Der kleine, dicke Berliner Brummkreisel Kolbe führte den gut einen Meter achtzig großen, in dieser Minute eher vollschlanken,
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