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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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dieses Mal ist es eben ein bisschen heftig, weil die im Sommer so gute Bedingungen, so viel Nahrung hatten. Dann vermehren die sich besonders stark. Aber wir kriegen das schon wieder unter Kontrolle.»
    «Klar.» Lanner grinste. «Wenn du das sagst.»
    Beinah verärgert bemerkte Lanner, wie sich eine wohlige Wärme einstellte. Georg Wolters, der blöde Arsch, eine der nervigsten, unerfreulichsten Figuren seiner ohnehin an deprimierenden Erinnerungen so reichen Schulzeit, stand vor ihm, und sein rätselhafter Körper verirrte sich in relative Glücksgefühle. Georg war für ihn wie ein Stück Heimat, etwas Vertrautes in dieser Riesenstadt. Jemand, der dieselbe Sprache zu sprechen schien. Wahrscheinlich immer noch ein Arsch, aber immerhin ein vertrauter Arsch, besser als nichts. Oder zumindest besser als die unberechenbaren Berliner Ärsche.
    «Ist ja auch egal, Georg. Hauptsache, du fühlst dich wohl bei deiner Berufung. Und ihr habt die Leiche gefunden?»
    «Genau genommen hat Frau Kreutzer ihn gefunden, den Herrn Kaminski. Ich finde es würdevoller, seinen Namen zu nennen, wo ihr schon das Glück hattet, den so schnell rauszufinden.»
    Lanner räusperte sich. «Glück? Ich würde mal sagen, mit Glück hat das wenig zu tun. Das war astreine, hochmoderne Polizeiarbeit. Mit der Kieferorthopädie-App im iPhone, das geht dann direkt in die Zahnarztpraxen, und wenn der Tote Berliner ist, haben wir in Nullkommanix den Namen.»
    Georg schaute ihn fragend an. «Eine Kieferorthopädie-App?»
    Jetzt erwachte auch Toni in seiner Hollywoodschaukel. «Ist Blödsinn. Gibt keine solche App. Wüsste ich, wenn es gäbe. Gibt aber nicht. Ist Blödsinn.»
    Georg nickte. «Also, wie ich das mitgekriegt habe, waren die so schnell, weil der alles bei sich hatte. Portemonnaie, Ausweis, Schlüssel. Sogar sein Handy. War alles im Müllsack. Deshalb wussten die sofort den Namen.»
    Lanners Blick wurde leer. Gern hätte er etwas gesagt, aber eine kognitive Lähmung verhinderte jedwede Regung in Gesicht und Hirn.
    Toni wertete die Fakten aus: «Wenn war Raubüberfall, Täter waren ganz schön schlampig.»
    Lanner hörte ihn längst nicht mehr. Was er hingegen vernahm, war das plötzliche, laute, mehrstimmige Lachen in der Wohnung im zweiten Stock. Wahrscheinlich hatte Kolbe der versammelten Kollegenschar gerade mit viel Tamtam die komplette Geschichte erzählt. Es würde nicht das letzte Mal gewesen sein. Mehr noch: Wenn es überhaupt eine Sache auf der ganzen Welt gab, die amtlich sicher war, dann, dass dies für einige Jahre Kolbes Lieblingsanekdote werden würde.

A ls Lanner zu Kaminskis Wohnung kam, fiel ihm gleich das rausgebohrte Sicherheitsschloss auf. Kolbe stand im Flur. Lanner beschloss, so zu tun, als habe es das unselige Gespräch im Hof nie gegeben, und deutete auf das Loch in der Tür: «Ich dachte, der Tote hätte alle Schlüssel bei sich gehabt?»
    Der Spurensicherer begriff sofort, dass sich Lanner mittlerweile die echten Informationen besorgt hatte. Er nickte dem Hauptkommissar anerkennend zu, als habe der irgendeine schwierige Prüfung bestanden. «Der eine Schlüssel hat dann doch gefehlt. Warum auch immer. Weiß nicht, ob das was zu bedeuten hat.»
    «Hm, muss ich mir das selbst notieren, oder schreiben Sie das ausnahmsweise mal in den Bericht?»
    Kolbe wirkte beleidigt. «Natürlich steht das im Bericht. Die Späße sind eine Sache, das gehört dazu. Aber die eigentliche Arbeit kommt dabei niemals zu kurz. Die Berichte sind immer eins a und topkorrekt. Können Sie sich drauf verlassen. Wir sind schließlich Preußen hier.» Der kleine Mann schaute Lanner eindringlich an. Von dem Schalk, der sonst in seinem Blick irrlichterte, war nichts zu sehen. Vermutlich war dieses preußische Glaubensbekenntnis wirklich sein heiliger Ernst.
    Ein Schnauzbart, dachte Lanner. Im Rheinland hätte so jemand einen Schnauzbart mit nach oben gezwirbelten Enden. Dazu vielleicht eine Fliege, und er würde mit derselben ironiefreien Ernsthaftigkeit über seine rheinische Natur sprechen. Deren Gefangener er ist, wenngleich er sich natürlich pudelwohl in dieser Gefangenschaft fühlt.
    Kolbe führte ihn in das große Zimmer, wo noch zwei andere Spurensicherer beschäftigt waren. «Anhand des Staubs und der verdorrten Pflanzen können wir bereits sagen, dass seit knapp einem halben Jahr niemand mehr in der Wohnung war. Oder wenn, dann nur jemand, der Pflanzen hasst und keinen Staub aufwirbelt.»
    Lanner schaute zu den beiden Beamten, die größere
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