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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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Papierstapel durchsahen. «Mir will nicht in den Kopf, wie einer einfach so verschwinden kann, ohne dass ihn irgendjemand vermisst.»
    Kolbe zuckte die Schultern. «Wieso nicht? Würde Sie denn wer vermissen?»
    «Also, ich denke, wenn ich nicht zur Arbeit erscheinen würde, würden die mich schon suchen.»
    Kolbe lachte. «Na, da würde ich mich an Ihrer Stelle aber nicht drauf verlassen.»
    Das Stöhnen des Kommissars war lautlos. Ein Stöhnen mit den Augen, aber es entging Kolbe nicht.
    «Jetzt seien Sie doch nicht gleich wieder eingeschnappt. Sie müssen auch mal über sich selber lachen. Hier in Berlin lacht man viel über sich selber. Das gehört zu unsrem Savoir-vivre. Das befreit, tut gut. Wenn Sie nicht über sich lachen können, werden Sie mit dieser Stadt immer Probleme haben. Und Sie haben es ja auch noch besonders einfach, weil man über Sie so gut, so leicht und so viel lachen kann.» Wiehernd drehte er sich weg. «Außerdem geht’s mir doch nicht anders. Wenn bei mir das Gehalt weiter pünktlich käme, würde mich aus der Familie wahrscheinlich auch keiner suchen.» Er tippte einen der Beamten an. «Herr Liebig, erzählen Sie dem ernsten Herrn Hauptkommissar doch, was wir bislang haben.»
    Liebig richtete sich auf und suchte in diversen Taschen nach seinen Notizen. Als er sie nicht sofort fand, fing er schon mal an zu reden. «Die Wohnung war ungewöhnlich aufgeräumt. Kein dreckiges Geschirr, keine Wäsche, nicht einmal rumliegende Zeitschriften. Ganz so, als hätte Kaminski verreisen wollen. Auch keine Kampfspuren, hier wurde er jedenfalls nicht umgebracht …» Liebig fingerte jetzt hektisch an seiner Kleidung rum.
    «Ist das alles?» Kolbes Stimme war plötzlich ungewohnt scharf.
    «Nein, natürlich nicht.» Liebig suchte gleichzeitig nach Worten und nach seinem Block. «Nur in einem der Schränke hier war Kleidung, alle anderen Schränke sind mit Papier vollgestopft. Haufenweise Ausdrucke, Manuskripte. Krimis, Liebesromane, Biographien vor allem. Aber eben nicht als Bücher, sondern nur auf DIN-A4-Blättern. Als hätte er sich all diese Bücher ausgeliehen und dann selbst noch mal abgetippt.» Liebig zog den Kittel aus, um seine Taschen besser abtasten zu können, wahrscheinlich zum zwanzigsten Mal.
    Lanner wollte ihn erlösen. «Vielen Dank, das war ein guter Überblick.»
    «Herr Liebig ist noch nicht fertig!» Es klang fast so, als würde Kolbe seinen Spurensicherer anbrüllen. Liebig hörte auf zu suchen und schaute ihn verzweifelt an. Kolbe bellte: «Private Dinge?»
    «Ach ja, genau, das ist sehr ungewöhnlich.» Liebigs Stimme klang immer verzagter. «In der ganzen Wohnung gibt es so gut wie keine privaten Dinge. Keine Fotos, kein Schmuck, keine Erinnerungsstücke, nichts in der Art. Alles, was wir gefunden haben, war eine Liste mit zehn Telefonnummern.» Er stoppte und blickte fragend zu seinem Vorgesetzten.
    Kolbe griff in seine Kitteltasche, holte einen Notizblock raus und warf ihn Liebig hin. Dann fiel er plötzlich wieder in seinen gewohnten, jovial-kumpelhaften Ton: «Merken Sie sich das, Liebig, die zweitwichtigste Regel für einen jungen Spurensicherer: Niemals den Notizblock offen liegenlassen, es könnte immer ein Arschlochvorgesetzter vorbeikommen, ihn einstecken und dann auf Ihre Kosten den dicken Larry machen.»
    Liebig griff schnell nach seinem Block. «Kommt nicht wieder vor.»
    Sein Chef grunzte zufrieden. «Ich weiß. Außerdem spricht für Sie, dass Sie die wichtigste Regel eingehalten haben.»
    Der junge Spurensicherer rieb sich verlegen die Nase. Kolbe schaute zu Lanner rüber, der das Kunststück wiederholte, mit den Augen zu stöhnen. «Schon klar. Sie wollen jetzt wahrscheinlich, dass ich Sie frage, welches denn die wichtigste Regel für einen jungen Spurensicherer ist.»
    Kolbe griente. «Vermutlich ist es genau diese schnelle Auffassungsgabe, die Ihnen den Ruf eingebracht hat, ein ganz hervorragender Kommissar zu sein. Also?»
    Im Tonfall eines müden Kindes, das sich des lieben Friedens willen, aber ohne echte innere Einsicht entschuldigt, murmelte Lanner: «Und was ist die wichtigste Regel für junge Spurensicherer?»
    Kolbe nahm Haltung an, als habe er ein bedeutendes Geheimnis zu lüften. «Den Clou, den absoluten Höhepunkt, immer dem Chef zu überlassen.»
    Jetzt griff die Dramaturgie doch noch beim Kommissar. Ohne seine Neugier zu verbergen, fragte er: «Es gibt noch mehr? Also einen Clou bei dieser Geschichte? Hier in der Wohnung?»
    «Allerdings.» Kolbe
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