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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch
Autoren: Martin Suter
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Küchentechniken, Gelifikation, Sferifikation, das Arbeiten mit Schäumen, das Gewinnen von Essenzen. Er sprach leise mit ihnen und kümmerte sich nicht um Andrea, die ihre schlechte Laune gerne an jemandem ausgelassen hätte.
     
    Am Tag davor war Maravan früh aufgestanden und hatte in der Apotheke in seiner Nähe mit Nangays Dauerrezept Minirin gekauft. Die Apothekerin hatte sich an ihn erinnert und teilnahmsvoll gefragt: »Wie geht es Ihrer Tante? Oder war es Ihre Mutter?«
    »Großtante. Den Umständen entsprechend, danke«, hatte Maravan geantwortet.
    In der Küche hatte er den Beipackzettel genau studiert, eine der Tabletten zerteilt und in seinem feinsten Mörser zerrieben. Mit dem angenetzten kleinen Finger hatte er ein paar Stäubchen des Pulvers aufgetupft und gekostet. Es schmeckte bitter.
    Er löste das Pulver in einem Schnapsglas mit Wasser auf. Es wurde milchig, aber nach kurzer Zeit war es wieder klar. Er roch daran, stellte es wieder vor sich hin, dachte nach.
    Plötzlich stand er auf, ging in das Lebensmittelgeschäft in der Parallelstraße und kam mit einer Flasche Campari zurück.
    Im Mörser pulverisierte er eine weitere Pille und löste sie im selben Schnapsglas in Campari auf. Das gleiche Resultat: erst milchig, dann klar.
    Maravan füllte Campari in ein zweites Gläschen, nahm von beiden Sorten mit einer Pipette ein Tröpfchen auf und kostete. Bitter. Beide.
    Danach pulverisierte er die zehnfache Dosis und löste sie in hundertfünfzig Milliliter Campari auf. Sobald die Flüssigkeit wieder klar war, rührte er anderthalb Gramm Alginat hinein.
    Er zog den präparierten Campari auf eine Kaviarspritze und ließ ihn in gleichmäßigen Tropfen in eine Calciumchloridlösung fallen. Er fischte die Kügelchen aus der Lösung, begutachtete sie, roch daran, sah aber davon ab, sie zu versuchen.
    In ein Kelchglas presste er den Saft einer tiefgekühlten Orange, dekorierte das Glas mit einer hauchdünn geschnittenen Orangenscheibe und ließ die roten Kügelchen darin schwimmen.
    Maravans Campari Orange Minirin.
    Er roch am Drink und goss ihn dann in den Abfluss. Noch einmal zerrieb er Tabletten im Mörser. Diesmal für den nächsten Tag. Genug für drei Campari. Er hatte gehört, Dalmann habe einen guten Zug.
     
    Maravan wurde vom Klingeln überrascht. Falls das Makeda war, war sie eine halbe Stunde zu früh. Aber kurz darauf kam Andrea in die Küche und gab Entwarnung. Es war der unvermeidliche Schaeffer, wie sich Andrea ausdrückte.
    Eine gute halbe Stunde später klingelte es wieder. »Sie ist da«, meldete Andrea finster.
    Maravan machte die Aperitifs fertig.
    »Campari Orange für den Herrn. Und Makeda bleibt selbstverständlich beim Champagner.«
     
    Eigentlich hätte Dalmann lieber einen normalen Campari Orange gehabt. Oder noch lieber einen Campari Soda. Aber er war kein Spielverderber, nie gewesen.
    So nahm er denn die Cocktailschale vom Tablett der hübschen Serviererin und ließ sich von ihr den Drink erklären. »Campari-Kaviar in gechilltem Orangensaft mit verglaster Navel-Orangenscheibe. Cheers.«
    Dalmann wartete, bis sie das Zimmer verlassen hatte, hob das Glas und prostete Makeda zu, die wie immer Champagner trank. Sie sah ihn über den Glasrand an und lächelte seinen Ärger über die Schlamperei der Bundesanwaltschaft weg.
    Das Schlafzimmer oder Master Bedroom, wie er es nannte, war kaum wiederzuerkennen. Außer Bett und Nachttisch waren alle Möbel ausgeräumt. Ein niedriger runder Tisch war exotisch gedeckt, die Sitzgelegenheiten bestanden aus Kissen und Polstern.
    »Aha, damit man schon liegt«, hatte er gescherzt, als sie den Raum betraten und er sich an das Kerzenlicht, die einzige Beleuchtung, gewöhnt hatte.
    Der Drink schmeckte - lustig. Er war gar nicht so einfach zu trinken, der schwimmende Teppich aus Camparikügelchen war glitschig, die Dinger mussten teils geschlürft, teils mit spitzen Lippen eingefangen werden. Makeda ließ ihr ansteckendes Lachen erklingen, und Dalmann übertrieb die Anstrengungen ein wenig, um sie zu amüsieren.
    Bei diesem Spiel war das Glas im Nu leer, und er fragte: »Glaubst du, dass man davon ein Supplement haben kann?«
    Makeda verstand das Wort nicht, und er erklärte: »Glaubst du, ich bekomme noch einen?«
    Sie läutete das Tempelglöckchen.
    Maravan war dabei, die Amuse-Bouches vorzubereiten. Als er das Fläschchen mit der Curryblätter-Zimt-Kokosöl-Essenz öffnete und ein paar Tropfen davon auf die winzigen Reismehl-Chapatis träufelte,
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