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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger
Autoren: Jeffery Deaver
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sie in seinen Cognacschwenker. Sie lösten sich im Nu auf.
    Vergänglich wie die Träume, die sie einem bescherten.
    Sie rührte das Gebräu mit dem Strohhalm um. Er betrachtete ihre blutigen Nägel, doch nicht einmal das konnte ihn noch traurig stimmen. Dies war seine Nacht, und es war eine Nacht der Freude.
    Lincoln Rhyme erinnerte sich plötzlich an eine Begebenheit aus seiner Kindheit. Weil er nie seine Milch hatte trinken wollen, hatte seine Mutter eines Tages Strohhalme gekauft, die innen mit Aromastoffen beschichtet waren. Die einen schmeckten nach Erdbeer, andere nach Schokolade. In diesem Moment hatte er zum erstenmal wieder daran denken müssen. Es war eine großartige Erfindung gewesen. Soweit er sich entsinnen konnte, hatte er sich hinterher immer auf sein Glas Milch am Nachmittag gefreut.
    Sachs schob den Strohhalm an seinen Mund. Er nahm ihn zwischen die Lippen. Sie legte die Hand auf seinen Arm.
    Licht oder Dunkelheit, Musik oder Stille, Träume oder einfach ein tiefer, traumloser Schlaf? Was wird mich erwarten?
    Er trank einen Schluck. Es schmeckte eigentlich nicht anders als der pure Schnaps. Ein bißchen bitterer vielleicht. Fast wie -
    Unten hämmerte jemand heftig an die Tür. Mit Händen und Füßen, dem Klang nach zu urteilen. Dazu ertönten laute Stimmen.
    Er ließ den Strohhalm los, hob den Kopf. Blickte in das schummrige Treppenhaus.
    Stirnrunzelnd schaute sie ihn an.
    »Schau mal nach«, sagte er.
    Sie stieg die Treppe hinab und kehrte kurz darauf zurück. Sie wirkte sichtlich bedrückt. Lon Sellitto und Jerry Banks folgten ihr auf dem Fuß. Rhyme stellte fest, daß sich der junge Detective beim Rasieren einmal mehr das Gesicht zersäbelt hatte. Er sollte sich wirklich ein bißchen zusammennehmen.
    Sellitto warf einen Blick auf die Flasche und den Plastikbeutel. Dann schaute er zu Sachs, doch die verschränkte trotzig die Arme und sah ihn abweisend an. Diesmal spielte der Dienstrang keine Rolle, besagte der Blick, den sie dem Detective zuwarf, und was hier geschah, ging ihn überhaupt nichts an. Doch Sellitto dachte nicht daran, sich einfach abwimmeln zu lassen.
    »Lincoln, ich muß mit dir reden.«
    »Rede. Aber rede schnell. Wir sind beschäftigt.«
    Der Detective ließ sich in den knarrenden Rattansessel sinken. »Vor einer Stunde ist bei den Vereinten Nationen eine Bombe hochgegangen. Unmittelbar neben dem Bankettsaal. Während des Empfangsdinners für die Teilnehmer an der Friedenskonferenz.«
    »Sechs Tote, vierundfünfzig Verletzte«, fügte Banks hinzu. »Zwanzig davon schwer.«
    »Meine Güte«, flüsterte Sachs.
    »Erzähl's ihm«, brummte Sellitto.
    »Wegen der Konferenz«, fuhr Banks fort, »hat die UN einen ganzen Haufen Aushilfskräfte eingestellt. Darunter auch die Täterin - eine Empfangsdame. Eine Handvoll Leute haben gesehen, wie sie mit einem Rucksack zur Arbeit gekommen ist und ihn in einer Abstellkammer neben dem Bankettsaal deponiert hat. Kurz vor der Explosion verschwand sie. Nach Ansicht der Sprengstoffexperten waren es vermutlich etwa zwei Pfund C4 oder Semtex.«
    »Linc«, sagte Sellitto, »die Bombe befand sich nach Aussage der Zeugen in einem gelben Rucksack.«
    »Gelb?« Wieso kam ihm das irgendwie bekannt vor?
    »Nach Auskunft der Personalabteilung der UN handelt es sich bei der Empfangsdame um eine gewisse Carole Ganz.«
    »Die Mutter«, riefen Rhyme und Sachs gleichzeitig.
    »Genau. Die Frau, die Sie aus der Kirche gerettet haben. Nur daß Ganz nicht ihr richtiger Name ist. In Wirklichkeit heißt sie Charlotte Willoughby Sie war mit einem gewissen Ron Willoughby verheiratet. Sagt dir das was?«
    Rhyme verneinte.
    »Es kam vor etwa zwei Jahren in den Nachrichten. Er war Sergeant bei der Armee und sollte bei einer Friedensmission in Burma eingesetzt werden. Willoughby wollte das nicht - seiner Ansicht nach sollte ein amerikanischer Soldat seinem Land dienen, nicht aber dem Kommando der UNO unterstellt werden. Ist neuerdings eine weitverbreitete Haltung unter Rechtsgerichteten. Trotzdem ist er da hin. War kaum eine Woche dort, als er von irgendeinem Schwachkopf abgeknallt wurde. Von hinten erschossen. Die Rechten haben ihn prompt zum Märtyrer erkoren. Die Anti-Terror-Leute sagen, seine Witwe hat sich einer extremistischen Gruppe in einem Vorort von Chicago angeschlossen. Geleitet von zwei ehemaligen Studenten der dortigen Universität, die in den Untergrund gegangen sind.«
    Banks übernahm. »Der Sprengstoff war in einer Packung Knetmasse versteckt, die sich
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