Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
es kannte, und allmählich verstand er.
    »Sie haben mein Buch gelesen,« sagte der Kriminalist. »Sie haben sich eingehend damit befaßt. In der Bibliothek, stimmt's? In der Filiale der Stadtbibliothek in Ihrem Viertel?«
    Nummer 238 war also doch eine Leseratte.
    Daher kannte er Rhymes Vorgehen bei der Tatortarbeit. Deshalb hatte er so sorgfältig gefegt, hatte stets Handschuhe getragen, selbst wenn er Gegenstände berührte, auf denen sich nach Ansicht vieler Kriminalisten keine Fingerabdrücke feststellen ließen, deshalb hatte er an den Tatorten das Aftershave versprüht - er hatte genau gewußt, worauf Sachs achten würde.
    Und selbstverständlich hatte er nicht nur das Handbuch gelesen.
    Tatorte ebenfalls. Dadurch war er auf die Idee mit den fingierten Spuren gekommen - Spuren aus dem alten New York. Spuren, die nur Lincoln Rhyme zu deuten wußte.
    Taylor nahm den Halswirbel in die Hand, den er Rhyme vor acht Monaten mitgebracht hatte. Geistesabwesend spielte er damit herum. Und Rhyme erkannte, daß dieses Geschenk, das ihn seinerzeit so gerührt hatte, nichts anderes war als eine Vorankündigung des Grauens, das er zu verbreiten gedachte.
    Taylors Augen waren seltsam blicklos, wie in weite Ferne gerichtet. Rhyme erinnerte sich, daß ihm das schon öfter aufgefallen war, als Taylor ihn im Lauf der letzten Monate untersucht hatte. Er hatte es immer für ein Zeichen von Konzentration gehalten, aber jetzt wußte er, daß es Wahnsinn war. Er hatte sich bislang mühsam zusammengenommen, doch jetzt verlor er zusehends die Beherrschung.
    »Verraten Sie mir eins«, sagte Rhyme. »Warum?«
    »Warum?« flüsterte Taylor und fuhr mit der Hand über Rhymes Bein, packte erneut zu, betastete das Knie, das Schienbein, den Knöchel. »Weil Sie etwas Besonderes waren, Rhyme. Einzigartig. Sie waren unverletzlich.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Wie kann man einen Mann bestrafen, der ohnehin sterben will? Wenn man ihn tötet, tut man ihm lediglich einen Gefallen. Folglich mußte ich dafür sorgen, daß Sie weiterleben wollen.«
    Und jetzt endlich fiel Rhyme die Lösung ein.
    In früherer Zeit...
    »Es war eine Fälschung, nicht wahr? flüsterte er. »Dieser Bericht vom Coroner in Albany. Sie haben ihn selbst verfaßt.«
    Colin Stanton. Dr. Taylor war Colin Stanton.
    Der Mann, dessen Familie vor seinen Augen auf den Straßen von Chinatown hingemetzelt worden war. Der Mann, der wie gelähmt dabeigestanden hatte, als seine Frau und seine Kinder verblutet waren, der sich nicht hatte entscheiden können, wen er retten sollte.
    Damals haben Sie allerhand übersehen. In früherer Zeit.
    Nun, da es viel zu spät war, fügte sich eins zum anderen.
    Das Beobachten der Opfer: T. J. Colfax, Monelle Gerger und Carole Ganz. Er hatte riskiert, daß man ihn faßte, während er dastand und sie anstarrte - genauso wie Stanton dagestanden und zugeschaut hatte, wie seine Familie verblutete. Er wollte sich rächen, aber er war Arzt, er hatte den Eid des Hippokrates geschworen, der ihn dazu verpflichtete, Leben zu schützen und zu erhalten, und um töten zu können, mußte er ein Vorbild finden, in die Rolle eines geistigen Vorläufers schlüpfen - James Schneider, der Knochensammler, ein wahnsinniger Massenmörder aus dem 19. Jahrhundert, dessen Familie von der Polizei ausgelöscht worden war.
    »Nachdem ich aus der Nervenklinik entlassen worden war, kehrte ich nach Manhattan zurück. Ich las den Untersuchungsbericht und erfuhr dadurch, daß Sie schlichtweg übersehen hatten, daß der Mörder noch am Tatort war, daß er sich den Fluchtweg aus der Wohnung freischoß. Ich wußte, daß ich Sie töten mußte. Aber ich konnte es nicht. Ich weiß nicht, warum.... Ich habe gewartet, habe ständig gewartet, daß irgend etwas passiert. Und dann stieß ich auf das Buch. James Schneider... Er hatte genau das gleiche durchgemacht wie ich. Er hatte es getan - ich konnte es auch.«
    Ich habe sie entbeint, bis auf die Knochen.
    »Ihr Nachruf«, sagte Rhyme.
    »Richtig. Den habe ich selbst verfaßt, an meinem Computer. Habe ihn an die New Yorker Polizei gefaxt, damit man mich nicht verdächtigt. Dann nahm ich eine andere Identität an. Dr. Peter Taylor. Erst später wurde mir klar, weshalb ich diesen Namen gewählt hatte. Kommen Sie darauf?« Stantons Blick schweifte zu der Tabelle an der Wand. »Dort finden Sie die Antwort.«
    Rhyme überflog das Täterprofil.
     
    • Grundkenntn. in deutscher Sprache
     
    »Schneider«, sagte Rhyme, und er seufzte. »Schneider
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher