Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
einmal, dann noch einmal, so als würde sein schlaffer Leib von einem Erdbeben erschüttert. Sein Kopf sank zur Seite, und Blut rann aus seinem Mundwinkel.
    »Nein!« rief Stanton. Er preßte beide Hände auf Rhymes Brust. »Sie dürfen nicht sterben!«
    Der Arzt zog Rhymes Lider hoch, sah nur die weißen Augäpfel.
    Stanton riß Thoms Arzttasche auf und zog eine Spritze auf, injizierte das blutdrucksenkende Mittel. Er zerrte das Kissen vom Bett und legte Rhyme flach hin. Er hob seinen Kopf hoch, wischte ihm die Lippen ab, preßte seinen Mund auf seinen und versuchte ihn zu beatmen.
    »Nein!« brüllte Stanton. »Das lasse ich nicht zu! Sie dürfen nicht sterben!«
    Keine Reaktion.
    Er versuchte es noch einmal. Untersuchte die reglosen Augen.
    »Komm schon! Komm schon!«
    Wieder beatmete er ihn. Bearbeitete die reglose Brust.
    Dann wich er zurück, wie erstarrt vor Schreck und Entsetzen, starrte wie gebannt auf den Mann, der vor seinen Augen starb.
    Schließlich beugte er sich wieder über ihn und versuchte Rhyme ein letztes Mal mittels Mund-zu-Mund-Beatmung ins Leben zurückzuholen.
    Und dann, als Stanton das Gesicht abwandte und das Ohr an seinen Mund legte, um zu horchen, ob er auch nur den geringsten Atemzug vernahm, fuhr Rhymes Kopf hoch, und er schlug zu wie eine Schlange. Er grub die Zähne in Stantons Nacken, zerriß ihm die Halsschlagader und biß zu, bis er den Halswirbel zu fassen bekam.
    Bis auf...
    Stanton schrie auf und fuhr zurück, riß Rhyme mit aus dem Bett. Sie stürzten übereinander. Landeten am Boden. Heißes, nach Eisen schmeckendes Blut sprudelte in Rhymes Mund.
    ... die Knochen.
    Rhymes Lunge, seine mordsmäßige Lunge mußte schon über eine Minute ohne Luft auskommen, doch er dachte gar nicht daran nachzugeben, Atem zu holen, und er achtete auch nicht auf seine schmerzende Backe, in die er sich gebissen hatte, damit das Blut floß und er einen Anfall vortäuschen konnte. Er knurrte wie ein wildes Tier - hatte Sachs vor Augen, wie sie begraben wurde, sah, wie T. J. Colfax vom heißen Dampf verzehrt wurde -, schüttelte den Kopf und spürte, wie die Knochen und das Gewebe nachgaben.
    Stanton hämmerte auf Rhymes Brust ein, schrie gellend, trat wild um sich und versuchte dem Ungeheuer zu entrinnen, das sich in ihn verbissen hatte.
    Doch Rhyme ließ sich nicht abschütteln. Es war, als ballte sich all die Kraft, die sein gelähmter Leib nicht mehr aufbieten konnte, in seiner Kiefermuskulatur.
    Stanton tastete nach dem Nachttisch, bekam sein Messer wieder zu fassen. Er stach auf Lincoln Rhyme ein. Einmal, zweimal. Aber er traf nur die Arme und die Beine des Kriminalisten. Doch Widerstand konnte man nur durch Schmerz brechen, und gegen Schmerz war Lincoln Rhyme gefeit.
    Tiefer und immer tiefer schlug er die Zähne in Stantons Hals, bis dessen Schreie verstummten. Einmal noch stach er das Messer in Rhymes Arm. Bis es auf den Knochen stieß. Er wollte es wieder herausziehen, um ein weiteres Mal zuzustechen, doch plötzlich erstarrte er, verkrampfte sich, zuckte noch einmal und erschlaffte dann.
    Stanton brach zusammen und riß Rhyme mit sich. Der Kriminalist schlug mit dem Kopf hart auf die Eichendielen. Doch er ließ nicht los. Er fühlte sich wie ein hungriger Löwe, der seine Fänge in die Beute geschlagen hatte und seinen Blutrausch auskostete.
     
    5
    WENN MAN
    IN SCHWUNG IST,
    KRIEGT EINEN KEINER
    Ein Arzt hat nicht nur die Pflicht,
    das Leben zu verlängern, er muß auch dem Leiden
    ein Ende bereiten können.
    Dr. Jack Kevorkian
     
    Montag, 19.15 Uhr,
bis Montag, 22.00 Uhr SIEBENUNDDREISSIG
    Kurz vor Sonnenuntergang betrat Amelia Sachs sein Zimmer.
    Diesmal trug sie keine Sportkleidung. Auch keine Uniform. Sie hatte Jeans und eine moosgrüne Bluse an. Ihr wunderschönes Gesicht wies mehrere Schrammen auf, doch eingedenk dessen, was sich in den letzten drei Tagen ereignet hatte, vermutete er, daß sie sich die Verletzungen nicht selbst zugefügt hatte.
    »Igitt«, sagte sie und ging um die Stelle herum, an der Stanton und Polling gestorben waren. Der Boden war zwar gereinigt worden - die Spurensicherung hatte es erlaubt, nachdem der Täter in einen Leichensack gepackt und abtransportiert worden war -, doch konnte man noch immer einen großen rosaroten Fleck erkennen.
    Sachs zögerte und begrüßte dann Dr. Berger, der mit seinem ominösen Aktenkoffer am Fenster bei den Falken stand.
    »Du hast ihn also erwischt, was?« fragte sie und deutete mit dem Kopf auf den Blutfleck.
    »Jawohl«, sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher