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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb
Autoren: Thomas O'Callaghan
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kann ich mir nicht leisten. Ich brauche Sie, damit ich ohne Probleme rein- und rauskomme.«
    »Und was springt für mich dabei raus?«
    »Man hört gerüchteweise, dass Ihnen O’Hara ziemlich wenig Spielraum lässt.«
    »Dieser Bewährungshelfer ist schlimmer als ein Klotz am Bein.«
    »Ich könnte dafür sorgen, dass er nicht mehr für Sie zuständig ist.«
    »Stoßen wir gleich darauf an.«
    »Keine Zeit. Womöglich ist jemand in Lebensgefahr.«
    »Okay, wo steht das Haus?«
    »In Old Brookville. Brechen wir auf.«
    Binnen fünfzehn Minuten hatten sie das Anwesen erreicht.
Driscoll parkte den Chevy auf der Straße und schlich zusammen mit Lazlo an der Mauer entlang zum Eingangstor des Grundstücks.
    »So weit, so gut. Das Grundstück ist nicht alarmgesichert. Ich habe keine Signale aufgefangen«, sagte Lazlo leise, während er den elektronischen Scanner in seiner Hand musterte.
    Am Tor angelangt, drückte Driscoll auf die Klingel. Niemand reagierte. Er drückte sie ein zweites Mal, mit demselben Ergebnis. Entweder war Pierce nicht zu Hause, oder er ging nicht an die Tür. »Jetzt brauche ich Sie, Lazlo. Wie steht’s mit diesem Tor?«
    »Ein Kinderspiel«, erwiderte der Exknacki und musterte die digitale Tastatur auf dem Metallrahmen. Er zog einen Minischraubenzieher aus dem Rucksack und entfernte die Abdeckung, ehe er innehielt. »Das ist Importware. Wenn wir Mist bauen, aktivieren wir die Kamera.«
    »Was für eine Kamera?«
    »Die da!« Lazlo wies auf ein elektronisches Auge, das in einen Ziegelstein eingelassen war. Dann nahm er einen Palmtop heraus, verband eine Alligatorklemme mit einem schwarzweißen Kabel an seinem Gerät und bediente einen winzigen Wechselschalter. »So müsste es gehen«, erklärte er grinsend, während ein Gewirr aus grünen und roten Lämpchen auf seinem Computer aufblinkte. »Wir haben’s geschafft.«
    Vor ihnen schwang das Tor auf.
    »Dann mal los«, drängte Driscoll.
    Die Eingangstür ergab sich rasch dem Können des alten Ganoven. Lazlos Scanner fand keine weiteren Alarmanlagen im Inneren des Hauses.

    »Sie können sich jetzt dünnemachen, Lazlo. Ich gehe allein rein.« Driscolls Magen rebellierte beim Gedanken an Margarets Schicksal.
    »Sie müssen einem aber auch immer den Spaß verderben. Und was mache ich jetzt?«
    »Hier sind fünfzig Dollar für Ihren Aufwand. Die Long Island Railroad hält sechs Blocks von hier. Nehmen Sie den Zug und fahren Sie zu Ihrem Boot zurück. Ich bleibe eine Zeit lang hier.«
    »Aye, aye, Sir.« Im Handumdrehen war Lazlo in der Nacht verschwunden.
    Driscoll stand nun in einer marmorgefliesten Halle, dem Ausgangspunkt für seine Exkursion in Pierce’ Haus. Er rief Margarets Namen, erhielt jedoch keine Antwort.
    Indem er dem Strahl seiner Taschenlampe folgte, gelangte er in einen matt erleuchteten runden Raum, von dem vier Treppen abgingen wie Speichen, die von einer Radachse wegführen. Der Raum besaß eine Kuppel mit einem Fresko, das wie eine feministische Auferstehungsszene wirkte. Er überlegte, ob er gefahrlos Licht machen konnte, und tastete die Wände nach einem Schalter ab, fand jedoch keinen. Ein zugezogener Vorhang unter einer der Treppen weckte seine Neugier. Als er dahinter spähte, entdeckte er einen großen, antiken Vogelkäfig mit einem fast einen Meter großen Vogel darin. Unten am Käfig war ein hölzernes Schild mit der Aufschrift »LÄMMERGEIER« angebracht. Aus einem Abendkurs an der St.-John’s-Universität über die Verhaltensweise solcher Vögel wusste Driscoll, dass es sich um einen Geier handelte, der mit Vorliebe Knochenmark fraß. Zu Füßen des Tiers lag ein Knochen. Kaum hatte Driscoll danach gegriffen,
stieß der Vogel auf ihn herab. Er war schnell, doch zum Glück für den Lieutenant nicht treffsicher. Driscolls Finger mussten für den Knochenhunger des Raubtiers ein unwiderstehlicher Anblick gewesen sein.
    Von wem stammte der Knochen im Käfig? Obwohl er zertrümmert war, wirkte er menschlich, vielleicht ein Schienbein oder ein anderer langer Körperknochen. Driscoll hätte ihn gern in die Finger bekommen. Doch der Lämmergeier würde sich nicht freiwillig von ihm trennen, und Driscoll war nicht in Stimmung, sich mit dem Tier anzulegen.
    Beklemmende Gedanken plagten ihn. War das Deirdres Schienbein? Oder Sarahs Oberschenkelknochen? Oder Clarissas Elle? Oder - Gott bewahre - Margarets Speiche? Ging Pierce seinem Haustier zuliebe auf die Jagd? Lauerte er auf der Suche nach Futter für seinen Vogel in Einkaufszentren
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