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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay
Autoren: Chandrahas Choudhury
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gegeben«, sagte Tawde. »Der war vielleicht fett – Mannomann!«

    Als Arzee an diesem Abend vor seinem Haus stand, den Koffer zwischen den Beinen, waren die letzten Spuren des Tages gerade verblasst. In der Dämmerung ging rasch ein Dreiviertelmond auf, von drei Vögeln umkreist. Arzee schaute auf die Uhr. Er hatte am meisten vorzubereiten gehabt und war trotzdem deutlich vor seiner Mutter und seinem Bruder fertig gewesen – so wie bei einem Treffen von Freunden immer diejenigen als Erste kamen, die am weitesten entfernt wohnten. Er wusste nicht, was die beiden da oben aufhielt, aber wenn sie nicht innerhalb der nächsten zwei Minuten herunterkamen, würde er hochgehen und sie holen müssen, denn er hatte bereits ein Taxi angehalten.
    Ihm fiel ein, wie Abjani heute Morgen geguckt hatte, als er ihn um eine Woche Urlaub gebeten hatte, und er musste kichern. »Der denkt, ich komme nicht mehr zurück, aber da täuscht er sich«, dachte er. »Denn ausnahmsweise weiß ich mal mehr als der Rest der Welt. Rajneesh Sharma ist gegangen, ohne dass Abjani ihm begegnet wäre. Ich war der Einzige, mit dem er geredet hat – ich, Arzee! Und es ist nicht nur Abjani – so viele Leute haben keine Ahnung! Mobin hat keinen blassen Schimmer, wer ich bin, und so wird es auch bleiben. Soll er ruhig groß und unwissend bleiben. Und Monique … am liebsten würde ich ein Foto von ihr in dem Moment machen, wo sie erfährt, dass ich ursprünglich malChrist war, genau wie sie, und dass ich mich in meinem Leben schon von drei Elternteilen verabschiedet habe. Vier, wenn man ihren Vater dazuzählt! Er hätte sich nicht mit mir anlegen sollen.«
    Gerade wollte er hochrennen, da erschien seine Familie, Mutter bildschön in einem Sari aus raschelnder rostroter Seide, Mobin in schwarzer Hose und einem blauen Hemd, das er in die Hose gesteckt hatte, wodurch er noch größer wirkte.
    »Wie die Mutter, so der Sohn – beide riechen sie nach Rosenparfüm«, dachte Arzee und drängte: »Los, los! Ich darf meinen Zug nicht verpassen. Steigt ein! Das Taxameter läuft schon.«
    »Warum hast du denn deinen Koffer nicht in den Kofferraum getan?«, fragte Mutter. »Leg ihn in den Kofferraum, mein Sohn.«
    »Verschwenden wir bitte keine Zeit mit solchen Banalitäten, Mutter. Ich setze mich nach vorn und nehme den Koffer zwischen die Knie.«
    »Warum musstest du dich nach vorn zum Fahrer setzen?«, fragte Mutter, sobald sie losfuhren. »Du hättest dich zu uns nach hinten setzen sollen.«
    »Mutter, wir sind nur fünf Minuten unterwegs.«
    »Hast du deine Fahrkarte eingesteckt? Und das Ladegerät für dein Handy? Vergiss nicht, anzurufen, sobald du angekommen bist.«
    »Mach ich, Mutter.«
    »Und sag ihr – sag ihr, dass ich sie erst kennenlernen möchte. Unternehmt nicht allein irgendwelche Schritte.«
    »Hmmm«, machte Arzee.
    »Sag mal, Bruder«, ließ Mobin sich vernehmen. »Hast du vielleicht einen Kamm dabei?«

    Als sie vor dem Old Wadia Chawl anhielten, war sofort klar, dass dort eine Hochzeit oder irgendeine große Feier stattfand, denn rechts und links vom Tor brannten zwei große, strahlend helle Petroleumlampen, und etwas weiter hinten wurden gerade misstönend Trommeln und Blasinstrumente gestimmt. Sie stiegen aus dem Taxi, Mobin bezahlte, weil Arzee kein Kleingeld hatte, und dann gingen sie staunend hinein.
    Arzee hatte sich die ganze Zeit gefragt, wie man wohl in einem so engen Wohnkomplex wie dem, in dem Phiroz wohnte, einen Empfang abhalten konnte. Aber das hatte sich der Alte wirklich clever ausgedacht, das musste man ihm lassen. Indem er den etwa drei Meter breiten Durchgang, der den kleinen Platz am Eingang mit Phiroz’ Gebäude verband, mit rotem Teppich ausgelegt und mit rotem Stoff überspannt hatte, war ein improvisierter Hochzeitssaal entstanden. Am einen Ende des L-förmigen Bereichs wurden gerade die Brenner unter den Warmhalteplatten eines Buffets angezündet, und am anderen Ende harrte ein Podest mit zwei Thronen der Ankunft des Brautpaars. Wenn Phiroz auf so engem Raum einen Empfang geben konnte, dachte sich Arzee, würde er für seine eigene Hochzeit auch keinen Saal mieten müssen. Bei ihnen in der Straße war Platz genug – wenn er denn einmal heiraten sollte.
    Er ging mit raschem Schritt weiter, um sich die Einzelheiten genauer anzuschauen, und Mutter und Mobin blieben zurück. Das Zeltdach, das an einer Stelle von einem Baum etwas eingedellt wurde, war von silbernen Sternen übersät, und an roten Ballons waren goldene
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