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Der Kelte

Der Kelte

Titel: Der Kelte
Autoren: Claire Gavilan
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zurück und starrte ihn finster an. „Zu Scherzen aufgelegt? Wie überaus tapfer!“ Sie hob die rechte Hand und streckte alle fünf Finger in seine Richtung, als wolle sie etwas gegen ihn schleudern.
    Heißer Schmerz grub sich in seinen Magen, ließ ihn vornüberfallen, so weit es seine Fesseln erlaubten.
    Erstaunt hielt Branwen inne. „Was ...?“ Sie umrundete den Balken und bemerkte die Fesseln, die ihn aufrecht hielten. „Du hast dich angebunden? Wie dumm!“
    Alan drehte den Kopf so weit er konnte, und aus dem Augenwinkel sah er, wie Branwen die Hände nach seinen Fesseln ausstreckte. Als sie das Seil berührte, schrie sie schmerzerfüllt auf. „Magie!“ Sie kam wieder um die Säule herum. Wütend funkelte sie Alan an. „Glynis?“, fragte sie.
    Er nickte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, und er konnte es nicht daran hindern, auch wenn er wusste, dass es Branwen rasend machen würde. „Wir befinden uns in einer Zeit, in der sie die Anderswelt verlassen darf.“
    „Miststück!“, zischte Branwen. „Aber es ist ja nur ein dummes Seil. Ich befehle dir, dich selbst zu befreien, mein Krieger!“ Ihre Augen begannen zu leuchten, und Alan spürte, wie ihre Macht in seinen Körper eindrang, wie sie sich in ihm ausbreitete und begann, die Kontrolle über ihn zu übernehmen. Er fühlte, wie seine Augen blau zu leuchten begannen, glaubte die blauen Linien förmlich über seine Haut kriechen zu spüren. Ein gepeinigtes Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Er wehrte sich gegen die Fesseln, bäumte sich in ihnen auf, warf sich vorwärts, aber Enora hatte ganze Arbeit geleistet. Er war nicht in der Lage, sich zu befreien.
    Gut!
    Als Branwen erkannte, dass er selbst unter ihrem Einfluss nicht in der Lage war, die Fesseln zu zerreißen, legte sie den Kopf in den Nacken und stieß ein wütendes Heulen aus, das direkt aus den grausamsten Tiefen der Anderswelt zu kommen schien. Ihre Lippen waren verzerrt und ihre leuchtenden Augen schimmerten irre. „Du wagst es, dich gegen meinen Willen aufzulehnen?“, donnerte sie mit einer Stimme, die die Wände des Stalles erzittern ließen. „Du wagst es, mir nicht zu gehorchen?“ Sie hob beide Hände und entblößte Alans Brust. Im ersten Moment sah es aus, als wolle sie ihn zärtlich streicheln. Doch kurz bevor ihre langen, roten Fingernägel seine Haut berührten, zuckten ihre Finger wie Klauen.
    Alan warf den Kopf zurück gegen den Balken. Und schrie.
     
    Rose stöhnte. Sie glaubte am eigenen Leibe zu spüren, wie Branwen Alan quälte. Ein Feuer schien in ihrer Brust zu brennen, so mächtig, dass sie auf die Knie sank.
    Enora war bei ihr und hielt sie fest. „Du bildest dir das nur ein!“, beschwor sie Rose. „Es ist alles in Ordnung! Alles ist gut!“
    Aber Rose wusste, dass nichts gut war. Sie hörte Glynis ihre magischen Beschwörungen murmeln und ahnte, dass die Zeit nicht reichen würde. Bevor die Priesterin die richtige Formel herausgefunden hatte, würde Branwen Alan in Fetzen gerissen haben.
    Sie sprang auf. Sie war schon halb aus der Hütte, bevor Enora reagierte. „Wo willst du hin?“, schrie sie und gleichzeitig hörte Rose Glynis donnern: „Enora, bleib hier!“
    Sie achtete nicht auf die beiden. Sie rannte.
    Ihr Ziel war ein alter Schafstall zwischen jungen Birken.
     
    Wenige Minuten später stand sie fassungslos vor Entsetzen in der Tür des Stalles. Alan hing zusammengesunken in seinen Fesseln, der Kopf hing ihm auf die bloße Brust, die übersät war mit Flammenspuren, die nun eine nach der anderen verblassten. Branwen stand vor ihm, und sie war so sehr damit beschäftigt, Alan zu quälen, dass sie Rose nicht bemerkte. Erst als Alan schwerfällig den Kopf hob und sie entdeckte, wurde auch Branwen aufmerksam.
    „Rose“, ächzte Alan. „Nein!“ Seine Augen glühten blau und das Muster auf seiner Stirn und Wange leuchtete. Seine nackte Brust hob und senkte sich in qualvollen, heftigen Stößen.
    Branwen drehte sich um, ein finsteres Lächeln kräuselte ihre blutroten Lippen.
    „Lauf!“, hauchte Alan, und wie in Trance warf er sich in seine Fesseln. „Bitte ...“
    Aber Rose konnte sich nicht rühren. Sie war wie gebannt von dem bernsteinfarbenen Flammen aus Branwens Augen, und urplötzlich brandete eine sehr alte Erinnerung in ihr auf. Sie spürte unendliche Trauer, deren Ursprung sie sich nicht erklären konnte. Erst als sie tiefer in sich hineinlauschte, begriff sie, dass sie um Branwen trauerte.
    Wie war das möglich?
    Sie sah Blut,
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