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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Daniel Dersch
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Gleichgewicht verlor und auf den Rücken fiel. Es versuchte sich wieder mit der gesunden Hand aufzurichten, als plötzlich Doris Pearson humpelnd herbei eilte und neben der Kreatur zu stehen kam. Sie hob die Schrotflinte an Walters Kopf, spannte mit dem Daumen beide Hähne und hielt dann einen Augenblick lang inne:
    „ Mögest du in der Hölle schmoren du Hurensohn“, sagte sie mit einem Lächeln der Befriedigung auf den Lippen. Dann schloss sie ihre Augen und drückte den Abzug. Im gleichen Augenblick explodierte Walters Kopf und ein Schwall schwarzer Brühe verteilte sich auf dem staubigen Kellerboden. Der Körper der Kreatur verlor jegliche Spannung und sackte zu Boden. Es war vorbei.
    Doch erst nachdem der letzte Schuss verklungen war, merkte Roger, dass er immer noch schrie. Aus Leibeskräften.
    Wenig später begann das Bild vor seinen Augen zu flackern, wie eine Glühbirne, während eines schweren Unwetters. Wenig später schrumpfte die ganze Welt vor seinen Augen zu einem winzigen Punkt zusammen, der in der Dunkelheit unterging und dann vollkommen verblasste.

27.

    Noch ehe Roger die Augen öffnete, konnte er den Rauch riechen und das Knistern des Feuers hören.
    Als er schließlich die Augen aufschlug sah er, dass ein Haus lichterloh in Flammen stand. Funken sprühten in den sternenklaren Himmel und für einige Augenblicke, waren sie nicht von den Sternen zu unterscheiden, die dieses Schauspiel teilnahmslos beobachteten.
    Roger sah sich um und erkannte, dass er rücklings in der Einfahrt lag. Doris Pearson kniete neben ihm und sah in das Feuer, während ihr Neffe mit irgendjemandem telefonierte – wahrscheinlich mit der Feuerwehr, dachte Roger.
    „ Ist es jetzt vorbei?“, fragte Roger, ohne sich aufzurichten. Seine Stimme klang dumpf und teilnahmslos, fast schon abwesend. Doris Pearson drehte sich zu ihm um und maß ihn erst mit ihren Augen, ehe sie antwortete.
    „ Wir haben unser Bestes getan. Jetzt können wir nur hoffen und beten“, sagte sie und blickte wieder ins Feuer, „aber ich denke, dass er diesmal ein für allemal tot ist.“
    „ Woher haben Sie gewusst, dass etwas nicht stimmt“, fragte Roger.
    „ Haben Sie es vergessen, Mr. Bonfield? Das Haus liegt hoch auf einem Hügel. Man kann es von der Stadt aus gut sehen. Ich habe den Krankenwagen und die Polizeiautos gesehen und gleich gewusst, dass etwas Schlimmes passiert ist.“
    „ Dann hatte ich ja ein verdammtes Glück, dass Sie gerade zu mir hochgesehen haben“, sagte Roger und richtete sich auf.
    „ Oh, Mr. Bonfield“, sagte Doris Pearson und schenkte Roger ein herzhaftes Lächeln, „das hat nichts mit Glück zu tun. Seit dem ersten Brand dieses Hauses, habe ich es keinen Tag mehr aus den Augen gelassen. Ich bin Tag für Tag da gesessen, in meinem Schaukelstuhl, habe das Gewehr meines Mannes gereinigt und habe auf meinen Einsatz gewartet. Insgeheim habe ich natürlich gehofft, dass die Geschichte zu Ende geht, solange ich noch eine junge Frau bin – ich hätte mir nie ausmalen können, dass ich mit meinen 92 Jahren nochmal in diesen Keller hinabsteigen würde. Aber wie hab ich Ihnen heut schon gesagt, Mr. Bonfield: Die Wege des Herrn sind vielleicht unergründlich, aber sie führen immer zum Ziel.“
    Roger sah der alten Frau tief in die Augen und wusste, dass sie ernst meinte, was sie soeben gesagt hatte. Sie hatte gewacht und gewartet, fast doppelt so lange, wie er auf Erden war.
    Und auch wenn es Jahrzehnte lang in Rockwell völlig ruhig gewesen war, so hatte sie sich dadurch nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass sich ein Sturm zusammenbraut.
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