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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Daniel Dersch
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tropfte, richtete er sich auf und atmete tief durch. Seine Augen waren blutunterlaufen und Tränen liefen ihm über die Wangen.
    „ Geht’s wieder, Kumpel?“, fragte Decker und legte dabei den Kopf zur Seite, wie ein treuer Golden Retriever. Roger sah ihn nur an, ohne zu antworten. Er wischte sich die Tränen mit dem Handballen aus den Augen und die Welt gewann wieder an Schärfe.
    „ Wer hat den Krankenwagen gerufen?“, fragte Roger. Seine Stimme war kaum mehr als ein Seufzen, das ihm durch die Zähne entwich.
    „ Ich Sohn Samuel hat die 911 gewählt“, sagte Decker, „er hat gesagt, dass ihr Hund in den Keller gerannt und wie wild gebellt hätte. Ihre Frau sei hinunter gelaufen, um den Hund zu holen und dabei ist sie wahrscheinlich gestolpert und hingefallen. Als der Krankenwagen ankam, war es leider bereits zu spät. Es muss alles sehr schnell gegangen sein – ich glaube nicht, dass ihre Frau auch nur eine Sekunde Schmerzen verspürt hat, wenn Sie das tröstet. Es tut mir sehr leid, Mr. Bonfield. Wenn ich etwas für Sie tun kann, dann sagen Sie bescheid – egal zu welcher Uhrzeit. Ich werde mein bestes tun, um Ihnen zu helfen.“
    „ Danke, Sheriff. Weiß es mein Sohn schon?“
    „ Ihr Sohn ist ein aufgeweckter Junge, Mr.Bonfield…“
    „ Roger, Sie können mich Roger nennen.“
    „ Wie gesagt, Roger, er ist sehr aufgeweckt und seinem Alter weit voraus. Wir haben ihm natürlich nicht gesagt, dass seine Mutter tot ist, aber dennoch glaube ich, dass er darüber bescheid weiß, was hier los ist.“
    Roger nickte.
    „ Wo ist er jetzt?“
    „ Eine weibliche Deputy, Ms. Stacy Duvalle, hat ihn in sein Zimmer gebracht und ihn ins Bett gelegt. Ich glaube sie hat ihm auch eine Viertel Valium gegeben, um ihn zu beruhigen und damit er schneller einschläft. Er liegt noch in seinem Zimmer und schläft. Ich werde mich jetzt auch auf den Weg machen. Aber vergessen Sie nicht mich anzurufen, falls ich Ihnen irgendwie weiterhelfen kann – sei es auch, wenn sie nur jemanden brauchen, um darüber zu reden.“
    Decker hielt einen Augenblick lang inne und strich sich mit der Zunge über die dicke Oberlippe, ehe er fortfuhr:
    „ Und noch etwas, bevor ich es vergesse: Wir haben die Kellertüre mit einem amtlichen Siegel versehen – Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, es handelt sich dabei nur um Routine. Als Rechtsanwalt wissen Sie ja, dass bei einem derartigen Todesfall die Spurensicherung vorbeischauen muss, um den Unfall zu untersuchen und ich habe keine Lust die Jungs aus Lewiston deswegen extra noch heute nach Rockwell fahren zu lassen. Sie werden also morgen Vormittag bei ihnen reinschneien.“
    „ Ich verstehe“, sagte Roger geistesabwesend, „und nochmal danke für Alles, Sheriff“. Die beiden Männer reichten sich die Hände und wechselten einen kurzen Blick. Danach warf Roger noch letzten Blick auf Linda. Der Schmerz flammte schlagartig in ihm hoch, so dass er für einen Augenblick glaubte, dass ihm deswegen das Herz in der Brust zerspringen müsste, wie ein riesiger Heizkessel, in dem der Druck unaufhaltsam anstieg.
    Erst in diesem Augeblick begriff Roger, dass das ungeborene Kind in Lindas Bauch, im gleichen Moment mit ihr gestorben war. Doch der Schock sorgte dafür, dass sich das Wissen über das Ausmaß der Tragödie, nicht auf den Grund seines Verstandes senkte. Vielmehr schwebte es durch seinen Kopf, wie Schneeflocken bei Tauwetter.
    Roger biss die Zähne zusammen, dann wandte er sich ab und ging ins Haus, um sich um seinen Sohn zu kümmern.

23.

    „ Sa-aaam, mein Junge, wo bist du?“
    Roger war zum Sams Zimmer gegangen, hatte die Hand auf die Türklinke gelegt und war in dieser Position verharrt, ohne die Türe zu öffnen. Stattdessen hatte er seine Stirn gegen den Türrahmen gelehnt, die Augen geschlossen und darüber nachgedacht, wie er seinen fünfjährigen Sohn beibringen sollte, dass seine Mutter tot war. Doch es hatte alles nichts geholfen - in seinem Gedanken hatte Ebbe geherrscht. Die richtigen Worte waren vor ihm zurückgewichen, wie scheue Tiere, die man mit Brotkrumen zu füttern versuchte. Deswegen hatte er einfach die Türe zu Sams Zimmer geöffnet und war eingetreten.
    Das war vor zehn Minuten gewesen. Jetzt strich er durch das leere Haus und suchte seinen Sohn. Er hatte sein Bettchen leer vorgefunden, das Bettlaken aufgewühlt und das Kissen noch immer feucht von seinen Tränen.
    „ Sam, komm’ schon mein Sohn, ich weiß, wie schrecklich das für dich ist. Du brauchst
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