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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller
Autoren: Daniel Dersch
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erblickte, das seinen Verstand für einige Augenblicke ins Wanken brachte, wie eine wertvolle Vase auf einem wackeligen Beistelltisch.
    Vor dem Loch, keinen halben Meter davon entfernt, lag ein Hausschuh auf dem Boden. Es war einer von Sam’s Hausschuhen – einer von denen, die so aussahen, wie riesige Tigerpfoten und die sich sein Sohn zum Geburtstag gewünscht hatte. Noch ehe er sich überlegen konnte, was das zu bedeuten hatte, vernahm er ein leises Schluchzen, das aus der Dunkelheit des Loches drang. Das Geräusch erstarb schlagartig wieder und weckte in Roger das Gefühl, dass ihm sein Gehör nur einen Streich gespielt hatte. Vielleicht war es nur das Zischen des Boilers gewesen oder die Luft in den Wasserleitungen, die sich führ ihn so angehört hatten, wie das ängstliche Schluchzen seines Sohnes, dachte er.
    Vielleicht, vielleicht, vielleicht…
    „ Sam? SAM, bist du das da unten?“, schrie er und beugte sich noch weiter über die Türschwelle. Dann hielt er einen Moment lang inne und lauschte. Doch das einzige, was er in diesen Sekunden hören konnte, war das Pochen seins eigenen Herzens, das ihm gegen die Rippen schlug, wie ein Gefangener gegen die Gitterstäbe seiner Zelle. Ansonsten war es absolut still.
    Roger begann zu glauben, dass das Geräusch wirklich nur Einbildung gewesen war. Eine einfache Sinnestäuschung, sonst nichts. Ja, so musste es gewesen sein, dachte er. Immerhin zerrte der Schock über Lindas Tod noch immer an seinen Nerven, wie ein untalentierter Gitarrenspieler an den Seiten seines Instrumentes.
    Er begann sich gerade wieder zu beruhigen, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung in der Dunkelheit des Loches vernahm. Es war nur ein kurzes Vorbeihuschen, kaum länger als eine Sekunde, aber es reichte aus um sich sicher zu sein, dass es kein Trugbild gewesen war. Im Loch in der Wand hatte sich etwas bewegt, etwas Großes. Wenn Sam dort unten war, dann blieb ihm nicht mehr viel Zeit, dachte er. Ganz egal, was sich hinter dieser verfluchten Wand auch verbergen mochte, er musste handeln. Ehe er etwas tun konnte, erklang Sam’s Stimme aus dem Loch und riss seine Gedanken entzwei, wie eine alte Perlenkette.
    „ Daddy? Bitte hol mich hier raus, schnell Daddy, er ist so böse“, sagte die Stimme, ehe sie wieder in der Stille des Kellers unterging.
    Schnell Daddy, er ist so böse.
    Der Satz wiederholte sich immer wieder in Rogers Kopf, wie eine nicht enden wollende Rückkopplung.
    Er ist böse.
    Roger musste handeln. Sofort.
    Er riss sich von dem Anblick los und rannte quer durch das Wohnzimmer. Dann nahm er drei Stufen auf einmal, während er ins Obergeschoss stürmte. Das Adrenalin schoss auf der Überholspur durch seine Venen und heißer, brennender Schweiß floss ihm aus jeder einzelnen Pore seines Körpers.
    Er stürmte ins Schlafzimmer, riss den Kleiderschrank auf und verstreute seine zusammengelegten Pullover quer über den Fußboden. Dahinter kam ein alter Schuhkarton zum Vorschein. Roger riss ihn an sich, öffnete den Deckel und griff hinein. Der kalte Stahl des Revolvers Kaliber .38 schmiegte sich an seine schweißnasse Hand. Der Revolver war ein Relikt aus der Zeit, als er sich in Bangor mit allerlei Typen aus der Unterwelt herumgeschlagen hatte.
    Nicht dass er die Waffe in seiner Aktentasche mit sich herumgetragen hätte – aber in der obersten Schublade seines Schreibtisches hatte dieses alte Schießeisen über fünf Jahre lang dafür gesorgt, dass er auch den schlimmsten Burschen, in die Augen sehen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Er hatte bisher nur zweimal damit auf dem Schießstand geschossen und auch wenn er kein Meisterschützer war, so war es dennoch besser den Revolver bei sich zu haben, als mit leeren Händen runter in den Keller zu gehen.
    Da unten hat sich etwas bewegt. Etwas GROSSES!
    Er öffnete den Verschluss der Waffe, überzeugte sich, dass die Trommel geladen war und machte dann auf dem Absatz Kehrt.
    Auf dem Weg ins Untergeschoss nahm er ganze vier Stufen auf einmal. Wenig später stand er vor der offenen Kellertüre. Bevor er die Kellertreppe hinunter stieg, erinnerte er sich plötzlich an die Stimme von Frank Olson, dem Besitzer des Heimwerkerladens, in dem er das Rattengift gekauft hatte:
    … o der Sie setzen sich mit einer 45er und ’ner Flasche Whiskey in den Keller und sitzen die Sache aus wie ein Mann.
    Roger hielt einen Augenblick lang inne. Dann trat er seinen Weg an.

25.

    Roger stieg vorsichtig die Kellertreppe hinab. Er hatte den
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