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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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konnte, und lieferte aus einer rasch geformten Igelstellung heraus den Ägyptern eine unerwartet heftige Schlacht. Deren Reihen begannen zu wanken, denn der alte Feldherr setzte jetzt seine Tausendschaften wie eherne Keile gezielt und druckvoll ein. Solcher Wucht waren die Mamelucken nicht gewachsen. Der Sultan hatte alle Hände voll zu tun, den Ring nicht aufreißen zu lassen, denn Baibars war, abgeschnitten von ihm, tief im Inneren des Gebirges immer noch damit beschäftigt, die weit vorgestoßene Vorhut des Generals, und das war die Elite des mongolischen Heeres, in erbitterten Einzelkämpfen aufzureiben. Doch mit der Zeit machte sich die zahlenmäßige Übermacht der Mamelucken bemerkbar, Baibars gelang es, den Anschluss zum Hauptheer
    wiederherzustellen. Das gab den Ägyptern zusätzlichen Auftrieb. Einigen der Mongolen und Rittern aus Armenien gelang es, die sich mehr und mehr zusammenziehende tödliche Umklammerung aufzubrechen und zu entkommen. Kitbogha weigerte sich zu fliehen, obgleich seine Leibgarde sich erbot, ihm den Weg frei zu schlagen. Der alte Haudegen setzte alles daran, seine Niederlage nicht zu überleben. Seine nächste Umgebung fiel Mann für Mann im Pfeilhagel, den Baibars der Bogenschütze auf sie niedergehen ließ. Sie schössen Kitbogha das Pferd unterm Leib weg, selbst noch zu Fuß schlug er sich furios - bis zum bitteren Ende!
    Die Leute des Emirs überwältigten schließlich den Alten. Mit seiner Gefangennahme brach der Widerstand der letzten Mongolen zusammen.
    491
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Letzte Niederschrift
    Das Heer der Mongolen war davongeritten, ich hockte noch immer benommen weit entfernt vom Rande des Kelim, der nach der Kavalkade Tausender von Pferdehufen und gleichermaßen nicht zu zählender Wagenräder seinen mir nie ganz geheuren Aspekt auf erbarmungswürdige Weise verändert hatte: aufgeworfen, zertrampelt, voll geschissen war sein einstmals mir Schauder einflößendes höllisches Antlitz zur erbärmlichen Fratze verzerrt.
    Wie eine tief hängende Regenwolke hing mein Blick über diesem Abdruck von Gewalt und Zerstörung, unendlich lange gelähmt von dem über mich hinwegziehenden Donnern und Tosen - bis mir endlich wieder bewusst wurde, dass unter diesem geschundenen Teppichgewebe irgendwo meine Lieben lagen. Ich presste mir die Nägel ins Fleisch und zwang mich unter Schmerzen, nicht an ihren Zustand zu denken, mir wurde übel, Erbrechen drohte mir, mein einziges Trachten zielte darauf, schonend die Sinne zu verlieren. War der böse Traum die Wirklichkeit? Wie oft war es mir gelungen, meinem Bewusstsein einen Streich zu spielen, diesmal drehte es den Spieß um und bohrte ihn in mein Herz. Ich kniete vor den Trümmern all dessen, was ich mir zum Inhalt meines Lebens erkoren, teuflische Mächte hatten meine beiden einzigen Kinder, meine Familie hingemordet. Ich schaute mich um. Rund um den Kelim saßen stumm die Beduinen, die ihn mit ihrer Karawane hergetragen hatten - grad' zur rechten Zeit an diesen Ort, um sein letztes böses Werk zu vollenden! Jalal al-Sufi, der quirlige Derwisch, trat zu mir. >Nur jetzt bitte keinen Rumi!<, schoss es mir durch den Kopf, was sicher ungerecht war - hatte doch Yeza dessen Verse stets mehr als jede andere Poesie geliebt. Wollte er mir sein Beileid aussprechen? Ich war so verblendet, dass ich mich als einziger Hinterbliebener empfand, der ein Anrecht auf Mitgefühl und Trost geltend machen durfte. Doch der kleine Sufi strich um mich herum, und ich hatte den Eindruck, er machte sich über mich lustig - was ich als völlig unangebracht empfand, dennoch wollte ich ihm eine Brücke bauen.
    492
    »Dein Entsetzen«, bot ich ihm an, »erschlägt die Trauer, der Schmerz zermalmt die Sinne - «
    Jalal blieb stehen und sah mich fassungslos an, dann lachte er schallend. »Ihr Leben war Abenteuer, Heldenmut und kühnes Vorwärtsstreben - sagst Du?!« Jalal ließ sich von meinem verständnislosen, abwehrenden Gesichtsausdruck nicht beirren. »Ihr Leben war Verfolgung, Angst und Flucht - sagt sie!« Er lachte mir ins Gesicht. »Endlich hatte sie das einzig große Abenteuer vor sich, konnte es mit nie gewagtem Heldenmut angehen und hat nun das Paradies gewonnen!« Er schaute mich streng an. »Was also jammerst du, mein Bruder William?!« Erst war ich erschrocken, dann schämte ich mich, ich war völlig verwirrt, sodass ich kopflos von einem würdigen Grab plapperte, etwas, an das ich vorher gewiss nicht gedacht hatte. »Dazu müssen wir
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