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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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Rolle hatten sie ihn über Spitz gelegt. So lauerte er bedrohlich wie ein riesiger Drache, bereit zum zerstörerischen Flug, das dreikantige Haupt züngelnd erhoben, erregt den gezackten Schweif peitschend. Zu beiden Seiten kauerten geduckt Hunderte von Helfern, zusätzlich waren auf beiden Seiten Gespanne in Stellung gegangen, deren Aufgabe es war, das Ausbringen des schweren Teppichs blitzschnell zu besorgen, wenn das Königliche Paar seinen Platz eingenommen hatte. Mir
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    fiel auf, wie uneben das vorgesehene Gelände war, Mulden wechselten mit kleinen Hügeln, als suche man bewusst die genaue Lage der menschlichen Leiber zu verschleiern. Ich kniete am Rande nieder, einigen Abstand lassend, denn ich wollte nicht mit unter die Hufe kommen. Wie oft hatte ich mir eingeredet, ich würde wie ein Märtyrer mein Leben für »meine Kinder« geben, als gefeiertes Opfer mit ihnen sterben ?! Nun - und nie wieder -
    bot sich mir die Möglichkeit, den großen Worten die einmalige Tat folgen zu lassen - und der treue William hing an seinem armseligen Leben wie ein Hund, der seinen Knochen verteidigt! Ich hatte zwar die ganze Nacht kein Auge zugetan und auch bitterlich geweint, doch es waren Tränen des Selbstmitleids, schmerzlich ergriffen bedauerte ich das schreckliche Los des armen Bruder William, der mit dem Weggang seiner Helden wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken würde, aus der die Kinder des Gral ihn dereinst erhoben -
    Acht Unterführer trugen die breite, mit Tuch bedeckte Bahre heran, auf der, für alle noch einmal anzuschauen, der tote Trencavel ruhte. Langsam und feierlich setzten sie den Leichnam in der Mitte des für den Kelim vorgesehenen Feldes ab und traten dann zur mir gegenüberliegenden Seite. Wir warteten auf Yeza, die von Kitbogha geleitet sein würde -
    YVES DER BRETONE UND BAITSCHU ritten nebeneinander durch die Hügel Richtung Akkon. In ihrem
    Rücken ging hell die Sonne auf. Baitschu warf einen prüfenden Blick zurück. »Lasst uns innehalten«, forderte er den älteren Ritter auf. »Wir sollten jetzt zu Gott beten, dass er ihre Seelen gnädig bei sich aufnimmt.« Baitschu war schon abgesprungen, der Bretone leistete seinem Beispiel Folge, darauf bedacht, die Gefühle des Knaben nicht zu verletzen.
    Yves schaute ihm offen in die Augen. »Che Diaus aduja aques-to dona de grando couratge!«, murmelte er, das heimatliche Idiom der Yezabel Esclarmonde versonnen für seinen letzten Gruß benutzend.
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    Baitschu war niedergekniet. »Ich wünsche mir, so tapfer zu werden wie die Prinzessin Yeza!«, begann er sein Gebet, das er in den Morgenhimmel sandte.
    SULTAN QUTUZ führte das Hauptheer der Mamelucken an Goliaths Tümpel vorbei in die sich dahinter
    erstreckenden Hügel, hinter denen er es geschickt verbarg. Er ordnete seine Truppen in einem unsichtbaren Halbkreis an und postierte sein Feldherrnzelt auf der höchsten Erhebung in dessen Mitte, unter Blattgrün verborgen. Die Vorhut unter Baibars hingegen nahm Aufstellung in der Ebene, für den anrückenden Feind schon von weitem verlockend sichtbar -
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Durch die Zeltgassen schritten gebeugt der alte Kitbogha und aufrecht an seiner Seite die Prinzessin. Als hätte Yeza meinen Herzenswunsch erraten, betrat sie nicht sofort das vor ihr liegende Feld, auf dem Roc sie schon erwartete, sondern sie ließ sich von dem Alten bis zur Höhe führen, wo ich kniete. Sie schenkte mir zwar keinen einzigen Blick, sondern umarmte plötzlich spontan wie ein kleines Mädchen den obersten Feldherrn der Mongolen. In meinen Augen war Kitbogha über Nacht zum Greis gealtert, ein gebrochener Mann! Musste er doch Abschied nehmen von seinem Lebenswerk, auch wenn es ein Traumgespinst war, in das er sich vernarrt hatte! - Yeza, sich der Umarmung entziehend, griff tastend hinter sich, über die Schulter in ihr volles Blondhaar.
    Ich wusste, was der Griff zu bedeuten hatte: Dort steckte ihr zweischneidiger Wurfdolch. Dessen hatte sie sich vergewissern wollen - keiner außer mir hatte es bemerkt -, nun schritt sie schon über das Feld, ließ sich neben dem Trencavel nieder und presste ihn fest in ihre Arme. Das war das Zeichen!
    Unter Aufbietung aller Kraft von Hunderten muskulösen Fäusten und etlichen Pferdeleibern stürmte der Kelim voran wie ein ungeheurer Drache - ich schaute weg, den Anblick wollte ich nicht als letztes Bild von meinen Lieben in mir tragen! - Als ich wieder hinsah, war das Feld schon von der unheimlichen
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