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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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zotteligen Bestie gelegen haben, die sich hinter dem Fremden auf ihren Tatzen aufrichtete: ein ausgewachsener Bär, der seinem Herrn und Gebieter mit großer Selbstverständlichkeit folgte.
    Arslan der Schamane strahlte eine Ruhe und Zuversicht aus, der sich die Lastkamele viel schneller ergaben als die verstörten Söhne der Wüste. Als er schließlich der Karawane mit Sanftmut seinen Willen aufgezwungen und sie behutsam gewendet hatte, hob Arslan ebenso langsam seinen Arm und deutete zum Horizont, wo sich die Hügelkette erhob, die sie überwinden mussten. Im flirrenden Dunst der Hitze erblickten die Beduinen die Palmenwipfel einer Oase - zwar immer noch in einiger Entfernung, aber verlockend nahe, verglichen mit der hoffnungslosen Weite der Steinwüste, der sie gerade entronnen waren. Sie wagten nicht den seltsamen Alten anzusprechen, schon aus Furcht, er könnte sie wieder verlassen. Der Schamane schien der Karawane voranzuschweben wie ein
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    guter djinn, selbst der hinter ihm herzottelnde Bär glitt über den harschigen Felsengrund, als sei es der glatte Wasserspiegel eines Sees. Da die Kamele dem neuen Führer bedingungslos und zügig folgten, hielten sich die Treiber - auf einen herrischen Wink ihres Ältesten - zurück und vermieden alles, was den Fremden und seinen pelzigen Begleiter stören könnte. In gebanntem Schweigen und gebührendem Abstand ritten sie hinter ihren Tragtieren her, nur ihr Anführer hielt seinen Blick fest auf die dicke Teppichrolle gerichtet, als habe er Angst, dass die kostbare Last sich plötzlich in Luft auflösen könnte. Diesen Zauberern aus dem fernen Osten war jeder teuflische Trick zuzutrauen! Wer weiß, ob dieser alte Hexer es nicht einzig und allein auf den >Vater der Teppiche< abgesehen hatte? Doch weder der Schamane noch sein Bär drehten sich auch nur einmal nach dem unhandlichen Beweis exquisiter Webkunst um. Unbeirrt schritten sie auf den fernen Palmenhain zu, der nicht näher kommen wollte, obgleich die Beduinen schon das Wippen der grünen Wedel im leichten Wind deutlich wahrzunehmen vermeinten.
    Lang zog sich der mühselige Marsch, und als endlich das ersehnte Ziel von Labsal und Schatten in greifbare Nähe gerückt schien, verblasste plötzlich das dunkle Grün der Palmen wie ein Trugbild, und übrig blieb ein Haufen unwirtlicher Felsbrocken in der vor Hitze glühenden Landschaft. Inmitten dieser trostlosen Einöde erhob sich neben einem von Steinen sorgsam eingefassten Brunnen ein ärmliches erdfarbenes Zelt, und davor saßen im würdevollen Schneidersitz zwei junge Menschen, die so wenig mit ihrer Umgebung gemein hatten wie der auf sie zutappende Bär. Erwartungsvoll und völlig furchtlos sahen sie den Ankommenden entgegen. Die Frau war unverschleiert und trug nicht einmal ein hijab, langes blondes Haar fiel ihr über die Schultern. Der Jüngling neben ihr wirkte eher wie ein schön gewachsener Knabe als wie ein Krieger, und auch die Art, mit der er das stolze Weib neben sich duldete, wies ihn in den Augen der Beduinen nicht gerade als geborenen Herrscher aus.
    Doch der ihnen voraneilende Schamane verneigte sich ehrfürchtig vor dem Paar und wandte sich um zu der Karawane. Der gleichmütige Trott der Kamele kam zum Still-15
    stand, die Beduinen drängten sich neugierig, aber noch scheu und befangen vor.
    »Lobt Allah, Euren Gott, und dankt ihm für die Euch erwiesene Gnade«, sprach Arslan mit fester Stimme.
    »Ihmidu allah! Neigt Euer Knie vor den Königen der Welt!«
    Während die Beduinen noch verunsichert auf ihren Ältesten schauten, knickten die Kamele wie auf unhörbares Kommando die Vorderbeine ein und ließen dann langsam auch die kräftigen Hinterläufe folgen, die Teppichrolle berührte auf ganzer Länge gleichzeitig den Boden und kam zwischen den Tieren zu liegen. Da beugte der Älteste sein Knie vor Roc und Yeza, und alle seine Mannen taten es ihm nach.
    »AI hamdu lillah, gepriesen sei Allah!«, rief der Mann. »Er ist groß und allmächtig!« Dann richtete er das Wort an den Schamanen. »Mir blutet das Herz, das erhabene Königliche Paar auf nacktem Felsengestein lagern zu sehen.« Er verneigte sich ums andere Mal. »Gestattet uns, den Kelim vor diesen Königen auszurollen, damit seine kühle Glätte ihre zarten Glieder umschmeichelt!« Er war sich so sicher, dass sein Vorschlag vollste Zustimmung erfahren würde, dass er seinen Leuten bereits das Zeichen gab, sich über die Rolle herzumachen, doch da sprang der Schamane mit Vehemenz zwischen sie,
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