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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin
Autoren: Peter Berling
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erzitterte!
    Furchtlos schweifte das Auge des Ritters über den sich dahinwälzenden Mahlstrom. Doch selbst in seiner Bewegungslosigkeit wirkte er menschlicher als dieser mechanisch vorwärts malmende Drachenleib aus Tausenden von Hufen und Stiefeln, Helmspitzen, auf den Rücken geschnallten Bögen und vollen Köchern. In diesem wogenden Lanzenwald öffnete sich jetzt ein frei gelassener Raum mittendrin: In pausenlosem Staccato mit eiserner Disziplin stetig vorangestoßen, glich er auf seltsame Weise dem magischen Geviert eines Tempelbezirks, dessen unsichtbare Einzäunung - von Zauberhand gezogen - von Mensch und Tier strikt geachtet wird. Das so ehrfurchtsvoll gehütete Heiligtum musste jenes überdimensionale Gefährt in seiner Mitte darstellen, eine prunkvolle Stufenpyramide auf Rädern. Dräuend auf hohen Stelzen, erhob sich über

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    der obersten Plattform ein goldener Thron. Doch wie ein Käfig wirkte das kunstvolle Gehäuse, das diesen bedingungslose Anbetung, nahezu würdelose Unterwerfung einfordernden, ein merkwürdiges Dauern und Schauern erregenden Doppelsitz umschloss, ein fremdartiges unwirkliches Gebilde inmitten der graubraunen Kriegermasse, der mit ihren Pferden bizarr verwachsenen Kentauren. Weniger die geometrisch pedante Einhaltung des Gevierts erstaunte den einsamen Reiter, sondern das Verhalten der Dienerscharen, die in respektvoller Distanz rechts und links hastend, hechelnd mit dem Gefährt Schritt zu halten versuchten und jedes Mal, wenn es sie überholte, sich platt zu Boden warfen und im demütigen Kotau verharrten, bis das leere Throngehäuse - von vier Doppelgespannen gezogen - an ihnen vorübergewankt war.
    Der Ritter wartete geduldig, bis der Block der mongolischen Heeresführung in Sicht kam - gut erkennbar an den größeren Zelten und den noch höher gereckten Insignien der Macht, dann ließ er sein Pferd gemessenen Schritts hinabsteigen. Viel anders wäre ihm auch nicht zu raten gewesen, denn in seinem Rücken waren längst Bogenschützen aufgezogen. Die stumm auf ihn gerichteten Pfeile ließen ihm keine Wahl.
    Der Ritter wurde vor den kommandierenden General Sundchak geführt und stellte sich als >Yves der Bretone< vor, »Gesandter des Königs von Frankreichs Das beeindruckte den General wenig, geschweige denn das Begehr des Bretonen, vor den Il-Khan Hulagu persönlich gebracht zu werden. Yves musste sich in Geduld fassen, was ihm keinerlei Mühe bereitete. Die zu seinem Geleit abgestellten zwei jungen Mongolen, die derweil neben ihm herritten, denn das Erscheinen des Gesandten hatte mitnichten das Heer der Mongolen in seinem Vormarsch aufgehalten, flankierten den Fremden mit gewisser Scheu. Kaum konnten Khazar und Baitschu ihre Neugier gegenüber dem Gast zügeln. Vor allem dessen enorme Waffe, breit und lang wie ein Zweihänder, erregte mit leichtem Schauder ihr Befremden. Yves kam ihrer Wissbegierde durch herablassend gezeigtes Interesse entgegen. »Was hat es mit diesem Thron auf sich, dem so viel Ehre erwiesen wird?«, fragte er. Baitschu, der jüngere seiner jugendlichen >Bewacher<, konnte kaum an sich hal-19
    ten: »Dies ist der Thron des >Königlichen Paares<, von Roc Trencavel und der Prinzessin Yeza Esclarmunde!«
    Der Bretone lächelte unmerklich. Er hatte die Frage nur gestellt, um völlig sicher zu gehen. Eine solche Monstrosität, nur um ihren Anspruch auf das Königliche Paar zu unterstreichen, konnte nur den Mongolen einfallen. Geradezu abgöttische Züge hatte die Verehrung des Steppenvolks für das Königliche Paar angenommen, je länger sich Yeza und Rog von der ihnen zugedachten Aufgabe entfernten. Die Mongolen kannten den >Großen Plan< nicht - hatten wahrscheinlich noch nie von ihm gehört. Wieso auch? Er war eine derartig elitäre conceptio, dass nicht einmal >der Rest der Welt<, also das Abendland, sie ganz verstand -
    geschweige denn sie zu akzeptieren sich bereit gefunden hatte. Yves der Bretone war zwar kein >Ritter des Gral<, dessen hatte ihn die hochnäsige geheime Bruderschaft nicht für würdig befunden, und doch wusste er, der einfache Knecht des Königs, mehr über den Großen Plan als manch einer dieser feinen Brüder! Und er war gewillt, ihn durchzusetzen - auch wenn keiner es ihm dankte. Der Bretone war treu! Gegenüber seinem König Ludwig - und eben in allem, was das Königliche Paar anbetraf und dem hohen Ziel, das diesem vorgegeben war.
    Unerbittlich und unbeirrbar zeigte sich der Bretone, und deswegen stand er jetzt auch hier.
    Mit keiner
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